Gelsenkirchen. So wie am Sonntagabend in der Matthäuskirche der Ev. Kirchengemeinde Buer-Middelich hat man die Choräle und Kirchenlieder Paul Gerhardts noch nie gehört: Mark Gierling und seine Band verpassten den 350 Jahre alten Texten eine Extraportion jazzigen Groove.

Die Texte von Paul Gerhardt kennt jeder evangelische Kirchgänger aus dem Gesangbuch. So wie am Sonntagabend in der Matthäuskirche hat man die Choräle und Kirchenlieder jedoch noch nie gehört: Mark Gierling und seine Band verpassten den 350 Jahre alten Texten eine Extraportion jazzigen Groove.

Das Programm ist zwar mit „Paul Gerhardt gets the Blues“ übertitelt, doch allzu traurig oder „blue“ ging es dabei nicht zu. Gerhardt (1607 – 1676) schrieb aus der Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges heraus; dennoch zieht sich die Hoffnung auf ein „gutes Ende“ leitmotivisch durch sein Werk. Dementsprechend legte Mark Gierling, erfahrener Kirchenmusiker, Arrangeur und Pianist, seine Adaptionen an: Mal mit knackigen, treibenden Rhythmen, dann wieder lässig swingend verleiht er den bekannten Melodien ein neues Soundkleid. So erklingt etwa „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ als entspannter Jazz-Walzer, das von Johann Sebastian Bach vertonte „Ich steh an Deiner Krippen hier“ bekommt durch die neue Harmonisierung fast den Charakter eines James Bond-Titelsongs, und „Gib Dich zufrieden und sei stille“ mutiert dann tatsächlich zum veritablen Blues.

Nuancen, Schlenker, Phrasierungen und Variationen

Nicht nur das musikalische Konzept ist fabelhaft, auch die Besetzung der Band: Gierling ist ein brillanter Jazzpianist, in dessen Anschlag sich Rhythmusgespür und Klangfülle verbinden. Er improvisiert mit Fantasie und Stilgefühl. Die Gesangsparts übernimmt Sigrid Maresch mit dem Timbre einer veritablen „Bluesröhre“. Die an sich in Text und Melodie nicht veränderten Vorlagen verwandelt sie durch Nuancen, Schlenker, Phrasierungen und Variationen in eigenständige Versionen, bei denen man oft vergisst, dass es sich nicht um originäre Jazzstandards handelt. Am Schlagzeug ist Marco Niemann eine sichere Bank; mit Alexandra Krings am Kontrabass liefert er das Fundament, auf dem sich die Musik entfalten kann. Erasmus Wegmann am Saxophon vervollständigt das Quintett mit gefühlvollen Soli. Das Publikum entließ die Band nicht ohne Zugaben. Ein Gastspiel, das gern wiederholt werden darf.

Weitere Infos zum Projekt, den Musikern und kommenden Auftritten finden sich auf der Website www.paulgerhardtgetstheblues.de. Die Konzerte in der Matthäuskirche gehen nun in die Sommerpause; nächster Termin ist der Auftakt zur neuen Reihe „Klassik_Dialoge“ mit der Neuen Philharmonie Westfalen am Dienstag, 23. September, 19:30 Uhr. Alle Infos: www.kek-middelich.de.