Gelsenkirchen. Ihm eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Den Ruf als Bürgerschreck, Provokateur und Stückezertrümmerer hat sich Dietrich W. Hilsdorf hart erarbeitet. Der Regisseur kommt jetzt zurück ans MiR. Trotz früherer Publikumsproteste erinnert sich Hilsdorf gerne an sein erstes Mal in Gelsenkirchen.
Seine Karriere als heftig umstrittener, aber auch hoch gelobter Theatermacher begann einst in Gelsenkirchen. Im Jahre 1981, vor nunmehr 33 Jahren, inszenierte der gebürtige Darmstädter seine erste Oper am Musiktheater im Revier. Jetzt kommt der Wahl-Berliner Dietrich W. Hilsdorf zurück auf die Revier-Bühne.
Und sagt ganz ruhig, sachlich, aber durchaus überraschend: „Ich wollte eigentlich nie provozieren.“
Religion trifft Erotik
Tat er aber schon bei seiner allerersten Produktion. Bei Hilsdorfs Opernpremiere am MiR, es gab Tschaikowskis „Eugen Onegin“, brach am Ende ein so gewaltiger Buhsturm über den Regisseur nieder, dass der 66-Jährige bis heute erstaunt sagt: „Damit hatte ich nicht gerechnet. Das Gebrüll war so groß, ich war für Sekunden bewusstlos.“ Inzwischen sei auch er älter geworden, ruhiger: „Heute wirkt vieles konventioneller.“ Er wolle niemanden aus dem Theater vertreiben.
Aber womit man auf der Bühne aufregen kann, das weiß der bis heute mit gut fünf Produktionen pro Jahr äußerst produktive Theatermacher natürlich ganz genau, auch wenn er heute kaum noch aneckt. Er wusste, was einst seine Mutter empörte, er weiß, was seine beiden Töchter (20 und 27) ärgert. Das Publikum „kann man auf jeden Fall mit Religion in Verbindung mit Erotik provozieren.“
Regisseur verlässt Theater während Premiere
Trotz des damaligen Publikumsprotests erinnert sich Hilsdorf gerne an sein erstes Mal in Gelsenkirchen: „Wie immer bei ersten Malen.“ Zumal das Team ein Traum gewesen sei und das Haus als eines der besten in der Republik gehandelt wurde: „Als der Buhsturm losbrach, haben mir die Solisten auf der Bühne demonstrativ Beifall gespendet.“ Unvergessen. Wie Dietrich Hilsdorf überhaupt niemanden vergessen hat: Ob die großen Stimmen auf der Bühne, ob die Techniker hinter den Kulissen, ob Putzfrau Helga oder die Choristen, er erinnert sich an alle. An Annette Pilgrim und Heike Einhorn zum Beispiel. Die beiden Sängerinnen arbeiteten bereits 1981 am MiR und spielen auch bei Tschaikowskis „Pique Dame“ wieder mit: „Wir freuen uns, Hilsdorf kann einfach gut erklären.“
Eines musste der sich in den Proben selbst erklären lassen: Das Kartenspielen, Thema der Opernproduktion. Hilsdorf, eingefleischter Fan von Verdi und Hitchcock („beide unglaubliche gute Handwerker“), wird es als Kammerspiel inszenieren, „im realistischen Regiestil, aber mit surrealem Touch“. Ob er sein Publikum auch diesmal mit ein paar Einfällen schocken wird, wer weiß? Hilsdorf selbst aber weiß ganz genau, dass ihn die Premiere Nerven kosten wird – und verlässt während der Aufführung das Haus.