Gelsenkirchen. 18 Frauen und Männer wurden zu freiwilligen Notfallseelsorgern ausgebildet. Sie suchen Leute unmittelbar nach dem Tod eines nahestehenden Menschen auf, hören zu, halten die Hand, beten ...

Im Januar 2013 las Annette Berg über die ökumenische Notfallseelsorge in der WAZ. Neue engagierte Leute wurden gesucht, um Hinterbliebenen unmittelbar nach einem tragischen Todesereignis beizustehen. „Könnte das etwas für mich sein? Halte ich das aus?“

„Das“ heißt: Menschen aufsuchen, die gerade mit dem Tod eines Angehörigen konfrontiert wurden, die unter Schock stehen, die hilflos sind, Redebedarf haben oder jemanden brauchen, der einfach nur da ist. Der vielleicht eine Kerze anzündet, ein Gebet spricht ... Annette Berg schlief ein, zwei Nächte darüber – dann rief sie bei Pfarrerin Elisabeth Biermann, der hauptamtlichen Notfallseelsorgerin des evangelischen Kirchenkreises, an. Heute ist die 56-Jährige ausgebildete, ehrenamtliche Mitarbeiterin des inzwischen 47-köpfigen Teams.

Aufgabe bewusst angenommen

Was sie dazu bewegt hat, sich dieser Aufgabe zu stellen, beschreibt die Verwaltungsangestellte und ehemalige Betriebsrätin der Kinderklinik am Bergmannsheil so: „Ich bin seit 33 Jahren glücklich verheiratet, habe ein tolles Kind und mir geht es gut. Davon will ich etwas zurück geben an Menschen, die plötzlich alleine sind.“ Sie räumt ein, dass ihr während der Ausbildung – knapp ein Jahr lang alle zwei Wochen vier Stunden – auch einmal mulmig gewesen sei. „Ich kann mir vorstellen, dass ich beim Tod von Kindern an meine Grenzen komme.“ Aber über die Herausforderung seien sich alle vorher im Klaren gewesen, „und wir haben uns dieser bewusst gestellt“.

Klaus Ebeling (58) nickt. Der pensionierte Berufssoldat und Motorradfahrer schmunzelt, wenn er an die gewünschten Voraussetzungen im sozialen Bereich denkt, die damals im Zeitungsbericht aufgezählt waren. „Ich habe gesagt: Super, davon erfülle ich nichts.“ Egal, der Vater eines Vierjährigen wollte etwas Sinnvolles machen. Und er bringt Lebenserfahrungen mit, die nicht unbedingt jeder haben möchte. Bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr – mehrfach war Ebeling im Kosovo – hat er viel Elend gesehen. Bis hin zum Soldaten-Suizid.

„Ich habe das gut verpackt“

Im Privatleben hat er den Draht zur Kirche. Unter anderem als Kradfahrer mit Kontakt zu Pfarrer Holger Janke, der in Hamburg die „Bikers Helpline“ ins Leben gerufen hat. Nun hat er zusammen mit Annette Berg und 16 weiteren Kursteilnehmern zwischen 28 und 67 Jahren den theoretischen Part erfüllt – dazu gehörten Inhalte wie Stresstheorie, Psychotraumatalogie, Organisationsstrukturen, Umgang mit eigenen Belastungen oder Rituale im Einsatz. Beide haben ihre erste praktische Aufgabe in Begleitung der hauptamtlichen Notfallseelsorger – neben Elisabeth Biermann ist das Peter Rutz – gemeistert.

Annette Berg: „Als morgens das Telefon ging, klopfte mir schon das Herz.“ Sie traf auf eine Frau, deren Ehemann seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. „Ich habe das gut verpackt“, sagt sie.

Einsegnungsgottesdienst

Im Festgottesdienst am 18. Mai werden die 18 Neuen der Notfallseelsorge im ökumenischen Zentrum St. Ida, Im Emscherbruch, von Superintendent Rüdiger Höcker und Pfarrer Alois Beukenbusch eingesegnet. Neben der violetten Einsatzweste haben die Notfallseelsorger einen Rucksack mit wichtigen Utensilien dabei: Kreuz, Kerze, Teddybär, Taschentücher, Feuerzeug – und eine Liste mit Ansprechpartnern für weitere Hilfe.