Gelsenkirchen. . Dr. Stefanie Ricken verkörpert den Typ Hausärztin, wie er heute händeringend auf dem Land gesucht wird. Ein Engagement, bei dem Zwölf-Stunden-Tage die Regel waren. Nach 30 Jahren will sie kürzer treten. Ihr Sohn ist auch ihr Nachfolger.

Seit 30 Jahren ist Stefanie Ricken (67) für ihre Patienten da. Diesen Mittwoch lud sie zur Jubiläumsfeier in den Garten hinter den Praxisräumen an der Bismarckstraße ein.

Es ist ein Wachwechsel in aller Stille: keine Aufregung, keine Einschnitte bei der Patientenversorgung, keine Sorgen um die Nachfolge. „Ich habe es gut, den eigenen Sohn in der Praxis zu haben“, erzählt die agile Hausärztin. Ihr Sohn Philipp (36), der bereits als Assistenzarzt zwei Jahre in der Praxis mitarbeitete, wird sie am 1. Juli übernehmen. „Er wird ein guter Arzt, die Patienten lieben ihn jetzt schon“, sagt sie und lacht.

Stefanie Ricken ließ sich 1984 in Gelsenkirchen nieder. Ein Zufall. „Ich liebe diese Stadt“, sagt die 67-Jährige heute, „die Stadt hat so viel zu bieten.“ Ihren Patienten ist sie nicht nur wegen ihrer menschlichen Art in Erinnerung, sondern auch, weil sie die erste Ärztin war, die mit dem Fahrrad fuhr. Münster, ihre Geburtsstadt, lässt grüßen.

„Mein Mann hat mir immer den Rücken frei gehalten“

Ricken verkörpert den Typ Hausärztin, wie er heute händeringend auf dem Land gesucht wird. Zwischen 1984 und 1998 praktizierte sie als Einzelkämpferin, verschrieb sich mit Haut und Haaren ihrem Beruf. Sie führte alternative Behandlungsmethoden ein und absolvierte eine „gründliche“ Akupunktur-Ausbildung. Ein Engagement, bei dem Zwölf-Stunden-Tage die Regel waren. Die Familie wohnte über der Praxis. Ein Vorteil für die Mutter von zwei Kindern: So war sie stets greifbar. Aber ein Nachteil, weil sie oft außerhalb der Sprechzeiten herausgeklingelt wurde. Weihnachten nähte sie verletzte Patienten schon mal im Abendkleid. Ungezählt die Nächte, die sie unterwegs zu Patienten war. „Das war natürlich nur möglich, weil ich einen Mann (Physiker) habe, der mir immer den Rücken frei gehalten hat.“

Ein Privatleben? Die Notarzt-Praxis-Regelung, die 1998 kam und die von der Ärzteschaft finanziert wird, hat sie damals als „große Erleichterung“ empfunden. Dass ihr Arbeitsmodell auch für die heutigen Hausärzte taugt, will sie nicht behaupten. „Ich kann verstehen, wenn junge Ärzte heute lieber im Angestelltenverhältnis arbeiten.“ Trotzdem: Sie habe zwar ein aufreibendes Arbeitsleben gehabt, „aber es hat Spaß gemacht.“

„Medizin finde ich immer noch unwahrscheinlich spannend“

Ihre Entscheidung, Hausärztin zu werden, hat sie nie bereut. „Ich würde wieder genau diesen Weg gehen“, sagt die gelernte Medizinisch-Technische-Assistentin, die auf dem zweiten Bildungsweg Ärztin wurde. Keine andere medizinische Disziplin sei so vielseitig und so nahe bei den Menschen. Und: „Medizin finde ich immer noch unwahrscheinlich spannend.“

Ganz aufhören zu praktizieren, will sie noch nicht. „Man wird nur alt, wenn man aufhört zu arbeiten.“