Gelsenkirchen. Ob das Aus der Praxisgebühr dazu geführt hat, ist unklar. Denn die Grippewelle füllte wochenlang die Arztpraxen in Gelsenkirchen.

Der Wegfall der Praxisgebühr ist von den Patienten mehrheitlich mit Erleichterung aufgenommen worden. Ob sich dadurch aber auch die Patientenzahlen ursächlich erhöht haben, ist jetzt gerade nach Ablauf des ersten Quartals eine viel diskutierte Frage. Und eine, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig zu beantworten ist.

„Die Abrechnungen der Ärzte laufen bei uns gerade erst langsam ein“, sagte Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KV). Belastbare Zahlen seien daher erst im letzten Junidrittel verfügbar. „Die Tendenz ist allerdings eindeutig: Hausärzte und Notfalldienste wurden verstärkt aufgesucht. Das hat unsere Nachfrage bei den Ärzten ergeben.“

Quote steigt um etwa zehn Prozent

An konkretere Aussagen wagt sich Dr. Werner Kirchberg, er vertritt die niedergelassenen Ärzte in Gelsenkirchen und ist zugleich Bezirksstellenleiter der KV für den Bezirk Gelsenkirchen und Bottrop. „Unsere Fallzahlen sind um etwa zehn Prozent gestiegen“, sagte der Allgemeinmediziner. Einen kausalen Zusammenhang mit dem Wegfall der Praxisgebühr könne man aber nicht ausmachen.

Der Grund: „Der lang anhaltende Winter hat die Zahl von Atemwegserkrankungen und Grippe-Infekten in die Höhe schnellen lassen.“ Zugleich sei dadurch die Behandlungsintensität gestiegen und auch die Patientendichte. „Bakterielle und virale Infekte sind oftmals erst nach mehreren Wochen abgeklungen. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass Patienten vier- oder fünfmal innerhalb eines Quartals bei ihrem Arzt vorstellig wurden.“

Eine ähnliche Bilanz lässt sich laut Dr. Werner Kirchberg auch in puncto Notfalldienste ziehen. Sie verzeichneten ebenfalls eine höhere Patientenfrequenz.

Ähnliche Lage in anderen Städten

Mit diesen Zahlen steht Gelsenkirchen jedoch nicht allein da. Dr. Eckhard Kampe, Kirchbergs Pendant für Bochum, Herne und Hagen, sprach von einem Anstieg von zehn bis 15 Prozent mehr als noch im Quartal zuvor. Wegen der seinerzeit fälligen Gebühr seien in der Vergangenheit insbesondere ärmere Menschen zu spät zum Arzt gegangen und hätten dadurch Krankheiten verschleppt.

Die Praxisgebühr wurde im Jahr 2004 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt und auch von den nachfolgenden Regierungen mitgetragen. Bis zur Abschaffung Ende 2012 mussten Patienten die zehn Euro Gebühren bei ihrem Arzt und auch bei Notfallbehandlungen bezahlen.

Mehr Rezepte eingelöst

Nachdem Anfang des neuen Jahres die Praxisgebühr bei Arztbesuchen weggefallen ist, wurden im Januar deutlich mehr Rezepte in den Apotheken eingelöst. Das hatte die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post (RP) unlängst berichtet.

Die Zeitung beruft sich dabei auf eine interne Statistik des Deutschen Apothekerverbandes. Demnach wurden im Januar 2013 42,3 Millionen Rezepte eingelöst – im Dezember 2012 waren es 36,3 Millionen.

Ingo Kailuweit, Chef der Kaufmännischen Krankenkasse,w führte laut RP als Ursache dafür an, dass zahlreiche Patienten ihren Arztbesuch ins neue Jahr verschoben haben, um sich Rezepte abzuholen. Ein Teil des Anstiegs sei aber auch auf die Grippewelle zurückzuführen.

Eine Hausarztpraxis hat nach Angaben von Dr. Werner Kirchberg, Sprecher der niedergelassenen Ärzte in Gelsenkirchen, im Durchschnitt 1000 Patienten.