Gelsenkirchen. Kein Fleisch, kein Fisch, keine Milchprodukte, keine Eier: Das soll nichts mit Verzicht zu tun haben? Dennis Melerski und Irene Mihalic, beide bei den Gelsenkirchener Grünen aktiv, leben seit mehr als einem halben Jahr vegan. Der Auslöser für ihre Ernährungsumstellung war ein Hirsch.

„Wir leben vegan – aber das hat nichts mit Verzicht zu tun!“ – Auf die WAZ-Nachfrage, ob er über seine Nahrungsumstellung im Rahmen einer Serie zum Thema Verzicht sprechen würde, sagte der Grünen-Ratsherr Dennis Melerski sofort zu – nur, dass es gar kein Verzicht sei. Im Gegenteil. „Wir machen das seit fast neun Monaten. Und haben uns nie gefragt: Was dürfen wir? Sondern immer nur ‘Was wollen wir?’!“

Die Begeisterung klingt echt, und wie das mit Überzeugungstätern so ist, haben sie denn auch gleich für die Zeitungsfrau vegan gekocht. Zum Auftakt ein Stück Brot mit Sojafrischkäse (schmeckt wie Kuh-Frischkäse) und frischem Schnittlauch, dann knackige Zucchinispaghetti mit veganer Bolognese (seeehr lecker), zum Nachtisch ein Stück Amaranth-Müsliriegel mit Trockenfrucht (geht so) und eine Haselnuss-Kakao-Praline zum Niederknien.

Körner, Hülsenfrüchte, Nüsse: Nährstoffe gibt es in der veganen Ernährung genug.
Körner, Hülsenfrüchte, Nüsse: Nährstoffe gibt es in der veganen Ernährung genug. © WAZ FotoPool

Hirsch als Initialzündung

Während des Essens schwärmen Dennis Melerski und seine Lebensgefährtin Irene Mihalic (Grüne MdB), wie viel besser es ihnen geht, seit sie vegan leben. Dass sie viel mehr Energie haben, die Haut schöner geworden ist, dass sie wacher sind als früher, sich besser fühlen. Es klingt echt, vor allem, wenn gerade die Zucchinispaghetti mit den gemahlenen Mandeln als Krönung (statt Parmesan) so schön der Zunge schmeicheln.

Ihre Initialzündung hatten die beiden beim Schottland-Urlaub im Mai 2013. „Da kam immer ein Hirsch bis in den Garten. Eines Tages kam er nicht mehr, ist wohl abgeschossen worden. Er hatte zwar artgerecht in Freiheit gelebt; trotzdem wollte ich nicht, dass er erschossen wird, damit wir ihn essen können,“ erklärt Melerski. Er ging daheim in Erle als erstes in den Bioladen und ließ sich zum veganen Essen beraten. Warum auch noch ohne Eier und ohne Milch? „Auch bei bester Biohaltung: Die Milch, die wir von der Kuh bekommen, bekommt das Kalb, für das sie produziert wird, eben nicht.“

Zucchinispaghetti mit vegetarischer Bolognaise: Echt lecker, sagt selbst der erklärte Fleischfan.
Zucchinispaghetti mit vegetarischer Bolognaise: Echt lecker, sagt selbst der erklärte Fleischfan. © WAZ FotoPool

Keine sklavischen Veganer

Anfangs waren die beiden schon ein wenig skeptisch, ob die vegane Küche auf Dauer funktioniert. Sie wollten einfach mal die 30-Tage-Challenge vom Kult-Vegankoch Attila Hildmann probieren. Aber dann schmeckte alles so gut. . .

Mittlerweile ist die kleine Küche des Paares umgerüstet. Kochbücher, eine Spiralreibe, verschiedenste Getreidesorten, Nussmus, Hafermilch fürs Müsli (gibt’s auch bei dm), ein gutes neues Messer (weil soviel Frisches geschnibbelt werden will) und ein richtig guter Mixer mit Aufsatz zum Nüsse mahlen. Letzterer ziemlich teuer, ein guter Zauberstab tut es aber auch, beteuern beide.

Sklavische Veganer sind beide nicht. Beim Essen daheim schon, aber auswärts sind Ausnahmen erlaubt. Es soll ja keinen Stress bereiten, sondern Spaß machen. Bei den Kollegen von der Autobahnpolizei hat das anfangs mitleidige Lächeln auch schon nachgelassen, wenn Dennis Melerski sein Müsli auspackt.

Seine Ledertaschen und Gürtel hat das Paar auch nicht entsorgt – die Sachen sind so schön langlebig, Alternativen dagegen ökologisch meist wenig korrekt.

Beide konzentrieren sich auf vegane Ernährung.

Bei Politikern heißt es: Seit wievielen Kilos bist du denn schon in Berlin?

Veganer essen nicht nur kein Fleisch, sondern auch keine Milch, keine Eier, keine tierischen Fette wie Butter. Nährstoffe gibt es dank viel Obst und Gemüse und Getreide reichlich, die Proteine liefern Tofu und Hülsenfrüchte.

Getreide gibt’s, die kennen die meisten gar nicht. Amaranth zum Beispiel.
Getreide gibt’s, die kennen die meisten gar nicht. Amaranth zum Beispiel. © WAZ FotoPool

Ein wenig abgenommen haben die beiden ohnehin schlanken Grünen-Politiker bei der Ernährungsumstellung dennoch. Das ist normal, schließlich fallen nicht nur tierische Fette, sondern meist auch Industriezucker und helles Mehl als potentielle Dickmacher bei einer veganen Ernährung mit frischen Produkten aus.

Schlanke Politiker sind in Berlin angesichts von Terminstress und dadurch schlechte Ernährung eher die Ausnahme. „Es gibt einen Spruch unter uns: Seit wieviel Kilo bist du denn schon in Berlin?“, lacht Mihalic. Sie selbst kocht in stressigen Sitzungswochen für die ganze Woche vor. Um eben nicht auf Fastfood angewiesen zu sein.

Eigentlich zählt zum veganen Leben auch der Verzicht auf Leder und Wolle. Aber das Paar versteht das Veganerdasein ja als einen Gewinn, nicht als Verzicht. Also bleibt der Gürtel im Schrank