Gelsenkirchen. . Eine aktuelle Studie mahnt, dass jede dritte Frau in der EU schon einmal Opfer von Gewalt wurde. Doch wie sieht die Situation in Gelsenkirchen aus? Knapp 700 Strafanzeigen wurden im vergangenen Jahr wegen häuslicher Gewalt gestellt. Laut Polizei sind die Zahlen dabei sogar leicht rückläufig.

Mit Blick auf den „Weltfrauentag“ mahnt eine EU-Studie, dass in den Staaten der Europäischen Union jede dritte Frau schon Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt war.

684 Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt gab es allein 2013 in Gelsenkirchen. Die Polizei sprach 284 Wohnungsverweise und Rückkehrverbote aus. Im Jahr 2012 waren die Zahlen noch höher: 771 Einsätze wegen häuslicher Gewalt, 447 Wohnungsverweise und Rückkehrverbote. „Bis auf wenige Fälle ist die Frau das Opfer“, sagt Polizeisprecher Guido Hesse. Und: „Alkohol ist oft eine Begleiterscheinung.“

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Immer vermittelt die Polizei die Opfer an Beratungsstellen. Die Frauenberatungsstelle an der Robert-Koch-Straße ist seit über 20 Jahren Interventionsstelle. Rund ein Drittel der hilfesuchenden Frauen werden von der Polizei vermittelt. Möglich macht das das Gewaltschutzgesetz, das seit 2002 klärt, das häusliche Gewalt „keine private Angelegenheit mehr ist, sondern eine Straftat“, so der Polizeisprecher.

„Gewalt trifft Migrantenfamilien genau so wie deutsche Familien“

Im letzten Jahr stellte die Polizei für 215 Frauen (2012: 426 Frauen) den Kontakt in die Robert-Koch-Straße her. 165 Frauen wurden per Fax in die Beratung vermittelt, 108 kamen ohne Vermittlung, 45 unternahmen Kontaktversuche. Allein im vergangenen Jahr halfen die Mitarbeiterinnen mit 1264 Beratungen 569 Frauen und Mädchen. „Gewalt gibt es in jeder Gesellschaftsschicht, unabhängig des Bildungsstands. Sie trifft Migrantenfamilien genauso wie deutsche Familien“, sagt Barbara Korsmeier.

27 .380 Fälle im Jahr 2012 in NRW

Seit dem Gewaltschutzgesetz ist die Zahl der gemeldeten Fälle in NRW um mehr als 70 Prozent gestiegen. Allein 2012 wurden in Nordrhein-Westfalen über 27.380 Fälle häuslicher Gewalt registriert.

Fachleute gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch viel höher liegt.

Die Anlässe für häusliche Gewalt – „das heißt Gewalt zu Hause in all seinen Formen“ (Korsmeier) – sind vielfältig: Armut, Alkohol, sexuelle Erniedrigung, Kontrollwahn, Erziehungsprobleme. Bei allein erziehenden Müttern erlebt Korsmeier häufig, dass pubertierende Söhne ihre Mütter „wegen fünf Euro schlagen“. Über 50 Prozent der Ratsuchenden sind Frauen mit Migrationshintergrund. Frauen aus arrangierten Ehen, Töchter, die wegen ihrer westlichen Lebensvorstellungen mit dem Vater und den Brüdern kollidieren.

Frauen sollen aus der sozialen Isolation heraus kommen

Im Beratungsgespräch legt Korsmeier den Frauen nahe, aus der sozialen Isolation zu kommen. „Viele Frauen akzeptieren häusliche Gewalt aus Scham. Irgendwann haben sie keine Kontakte, keine Freunde, keine Bekannten mehr.“ Das betreffe die Arbeiterin genauso wie die Akademikerin. „In der gepflegten Einfamilienhaussiedlung wird die Gewalt sogar noch eher tabuisiert.“