Gelsenkirchen. Ein 61-Jähriger klagte erfolgreich vor dem Landesarbeitsgericht gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber St. Gobain. 2013 hatte der französische Konzern den ehemaligen Schalker Verein abgewickelt. Nun hat der Gelsenkirchener Achim Wagner 102.000 statt 24.000 Euro Abfindung erstritten.

Auf dem Gelände des ehemaligen Schalker Vereins in Bulmke, einst Arbeitgeber für über 5000 Mitarbeiter, wird jetzt aufgeräumt für neues Wachstum. Ende September 2013 mussten die letzten elf verbliebenen Mitarbeiter des früher bedeutenden Röhrenherstellers gehen.

Der französische Konzern St. Gobain hatte das Unternehmen abgewickelt. Doch obwohl die Werkstore endgültig schlossen, war für einen der letzten Beschäftigten das Kapitel längst nicht beendet. Achim Wagner, vor Jahren auch stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, kämpfte um eine gerechte Abfindung. Er hatte sich geweigert, den Aufhebungsvertrag, den seine Kollegen unterschrieben, ebenfalls zu unterzeichnen. Beim Berufungstermin vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm gab die 3. Kammer dem 61-Jährigen mit seiner Klage nach einer höheren Abfindung nun Recht. Der Arbeitgeber, der nach 46 Dienstjahren nur 24.000 Euro an Abfindung zahlen wollte, muss Achim Wagner jetzt 102.000 Euro überweisen.

102.000 statt 24.000 Euro erstritten

St. Gobain berief sich bei der Höhe der Zahlung auf eine Vereinbarung in einer Protokollnotiz zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung aus den Jahren 2010 und 2012. Das Gericht musste vor allem herausfinden, wie und zwischen welchen Parteien das Schriftstück zustande gekommen ist. Durch die Protokollnotiz wurde die Höhe der Abfindungssumme kräftig nach unten gedrückt.

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Zwei ehemalige Betriebsratsmitglieder konnten als Zeugen das Gericht davon überzeugen, dass der damalige Vorsitzende Ulrich K. die Protokollnotiz im Alleingang mit dem Geschäftsführer aufgesetzt und unterzeichnet hatte. Beide bestätigten, die Protokollnotiz weder gesehen, noch von ihrer Existenz erfahren zu haben.

Gericht lässt Revision nicht zu

Auch der Belegschaft sei das Papier vorenthalten worden. Damit brach das Argumentationsgerüst des Arbeitgebers zusammen. Er habe alle gleich behandeln wollen, beantwortete Ulrich K. die Frage des Vorsitzenden, warum er eine Vereinbarung zu Ungunsten seiner Kollegen getroffen habe. Überzeugend klang das in den Ohren des Gerichts nicht. Schließlich gab er zu, dass es keinen Beschluss des Betriebsrates gegeben habe. Die Protokollnotiz war demnach nicht mehr als eine Art Privatvertrag zwischen Geschäftsführung und Betriebsratschef. Ohne die Vereinbarung hätte für die älteren Kollegen die viel günstigere Abfindungsregelung aus dem Sozialplan 2004 gegolten.

Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Die älteren Mitarbeiter, die in den letzten Jahren ihre Aufhebungsverträge zu ungünstigeren Konditionen unterschrieben haben, sollten die Begründung der Gerichtsentscheidung genau studieren. Es könnte sich für sie lohnen, nachträglich den gleichen Weg zu wählen, für den sich der erfolgreiche Kollege entschieden hat.