Mit dem endgültigen Aus des letzten industriellen metallverarbeitenden Großbetriebs verliert die Stadt ein bedeutendes Stück Stadtgeschichte. Aktive und Beobachter erinnern sich.

Der Historiker

Für Prof. Stefan Goch, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, steht fest: Per Salamitaktik sei das langsame Sterben des Schalker Vereins eingeleitet worden. Die Ideen des innovativen Unternehmens seien von anderen abgekupfert worden. Für die Stadt stelle sich die Frage, wie sie ein neues Profil gewinnen könne. 53000 Arbeitsplätze im Bergbau und 30000 Arbeitsplätze in der Metall verarbeitenden Industrie habe Gelsenkirchen verloren. Goch: „Bisher hat die Stadt den Strukturwandel friedlich im Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hinbekommen. Was die Infrastruktur betrifft, ist Gelsenkirchen gut erschlossen.“

Der Gießereileiter

Klaus Funk (73), bis Ende 2000 Leiter der Rohrgießerei, glaubt, dass St. Gobain 1998 den Schalker Verein mit dem strategischen Ziel gekauft habe, den wichtigen Konkurrenten schließen zu können. Schon bei der Übernahme durch Thyssen habe die Rohrproduktion nicht zum Kerngeschäft des Konzerns gehört. „In Spitzenzeiten produzierten wir 70 Prozent für den Export. Die Kuwaitis hatten schon alles bezahlt, ehe die ersten Rohre dort angekommen sind. Doch China unterbot alle Preise, später stimmte auch die Qualität ihrer Produkte. Weltweit existierten 23 Schleudergießereien und wir hatten eine davon. In Spitzenzeiten wurden bis zu 150000 t jährlich produziert. Dass Gussrohrgeschäft ging auch zurück, weil die Tendenz zum Kunststoff zunahm. Wenn ich sehe, was heute übrig geblieben ist, kommen mir die Tränen.“

Der Betriebsrat

Jürgen Schäfers (65), ehemaliger Betriebsratsvorsitzender, sah den Schalker Verein als vorbildlichen Betrieb für den Stadtteil. „Er baute Wohnungen, gewährte eine Reihe von sozialen Leistungen, unterhielt eine eigene Werksberufsschule. Wir bildeten auch für andere Betriebe aus. In Spitzenzeiten hatten wir 200 Auszubildende über alle Lehrjahre. Mit den Sozialplänen in den 80er Jahren waren die ausgeschiedenen Kollegen gut abgesichert. Das gute Betriebsklima mit vorbildlichen Vorgesetzten förderte den Zusammenhalt in der Belegschaft. Man fühlte sich als Mannschaft.“

Der Verbindungsmann

Gerd Hombücher hat nicht nur den Gemeinschaftsgeist der Rheinstahltruppe kennengelernt, sondern auch die gute Seele der Ägypter. Als Verbindungsmann zu ägyptischen Staatsfirmen führte er fünf Jahre lang die Rheinstahl-Truppe bei der Rohrproduktion für den Bau von Wasserleitungen. „Vorher hatten wir zahlreichen ägyptischen Kollegen das Know how bei uns vermittelt.“ Seine Philosophie, „der Mensch ist das Wichtigste im Betrieb“, sei auch die Einstellung der meisten seiner Kollegen gewesen. Der heute 84-Jährige war Betriebschef in der Rohrgießerei und ging 1992 in Rente. Ihm imponierte auch die soziale Einstellung seines Arbeitgebers und die enge Verbundenheit mit dem Stadtteil. So habe der Schalker Verein den vier Kirchen in Bulmke und Hüllen nach dem Krieg eine Million Mark für den Wiederaufbau gespendet.