Gelsenkirchen. Die neue WAZ-Serie stellt Institute in Gelsenkirchen vor: Den Anfang macht das Hygiene-Institut des Ruhrgebiets. Hier kommen Ärzte, Biologen und Laboranten Krankheitserregern auf die Spur. Aktuell suchen sie auch nach der Schweinegrippe.
Wenn vom vorweihnachtlichen Festschmaus ein bedrückendes Gefühl in der Magengegend bleibt, gibt es im Anschluss bisweilen ein Arztbesuch als Dessert. Doch bis der Mediziner die unangenehme Diagnose - beispielweise eine Durchfallerkrankung - stellen kann, ist es ein weiter Weg.
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Und der führt in vielen Fällen ins Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, genauer in die Abteilung Labormedizin. Wenn Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte oder Unternehmen Blut-, Stuhl- oder Urinproben zur Untersuchung einreichen, landen diese oft im Gebäudekomplex an der Rotthauser Straße. „In über 65 Prozent aller Diagnosen und Behandlungen fließen die Ergebnisse labormedizinischer Untersuchungen mit ein”, sagt Dr. Astrid Dirkes-Kersting, Geschäftsführerin des Instituts. Die „starke regionale Ausrichtung” des Hygiene-Instituts, sorgt dafür, dass vor allem Proben aus Gelsenkirchen und dem nördlichen Ruhrgebiet ausgewertet werden.
Im Juli gab es bis zu 200 Schweinegrippe-Tests
Und das ist auch notwendig: Ärzte sind bei ihrer Arbeit zunehmend auf die Laborergebnisse angewiesen - auch aktuell, bei der Schweinegrippe. „Momentan haben wir bis zu 80 Proben täglich”, sagt Dirkes-Kersting beim Gang durch die Serologie. Hier werden die Proben von Patienten untersucht, die befürchten, sich mit dem Influenzavirus H1N1 infiziert zu haben. „Schweinegrippe wird über Nasen- oder Rachenabstriche nachgewiesen”, erklärt die Leiterin und ergänzt: „Ein sehr empfindliches und sicheres Verfahren.” Noch könne das Institut die eingereichten Proben bewältigen: „Während des Ausbruchs der Schweinegrippe im Juli und August hatten wir bis zu 200 Fälle täglich.”
Um in Zukunft mehr Proben in einem kürzen Zeitraum untersuchen zu können, leistete sich das Hygiene-Institut, „die höchste Einzelinvestition in der über 100-jährigen Unternehmensgeschichte”, sagt Astrid Dirkes-Kersting. Nach fast einjähriger Planungs- und Bauphase läuft ein neues „Automatisationssystem” seit Anfang Oktober. Dabei handelt es sich um das zweite System in ganz Deutschland, in Nordrhein-Westfalen ist es sogar das erste.
Das mehrere Meter lange Gerät wirkt wie eine Mischung aus Miniaturfließband und Spielzeugeisenbahn und funktioniert auch ähnlich: Die Kulturplatten, kleine Plastikschälchen auf denen später die Bakterienkulturen gezüchtet werden, fahren auf dem Band vollautomatisch zu der Mitarbeiterin, die Proben von Patienten „ausstreicht”. „Früher mussten wir das alles in Handarbeit machen”, erinnert sich Dirkes-Kerting.
Bakterien wachsen bei 37 Grad
Die angelegten Bakterien werden nun in die Brutschränke gefahren, wo sie bei sommerlichen 37 Grad wachsen sollen. Nach einigen Stunden fertigt das Gerät von allen Proben Fotografien an, die die Mitarbeiter des Instituts nun vergleichen und auf Befunde untersuchen können. In der Regel wird nach Durchfallerregern und multiresistenten Keimen gesucht, spektakuläre Funde - wie etwa Typhus - sind selten, kommen aber vor.
Die Befunde gehen dann direkt an die Mediziner, die den Patienten die Diagnosen mitteilen - nach ein zwei bis drei Tagen herrscht meist Klarheit. Das Ergebnis kann für den Patienten Erleichterung aber auch Schock sein: Das Hygiene-Institut untersucht Blutproben nicht nur auf Alkohol oder andere Rauschmittel, sondern auch auf aggressive Krankheiten wie Hepatitis und HIV.
„Das ist für uns ganz normal und emotionslos”, stellt Leiterin Astrid Dirkes-Kersting klar. Medizinische Routine, die ohne die Nähe zum Patienten auskommt - die Proben sind lediglich mit einer Nummer versehen, einen Namen tragen sie nicht.
Neue WAZ-Serie: "Institute in Gelsenkirchen"
Die „Stadt der 1000 Feuer” - so wurde Gelsenkirchen lange wegen der in der Nacht glühenden Hochöfen genannt. Kohle und Stahl als tägliches Brot. Heute hat der Strukturwandel dazu geführt, dass zahlreiche zukunftsträchtige und innovative Ideen und Projekten Wurzeln schlagen. In der neuen WAZ-Serie „Institute in Gelsenkirchen” wollen wir Ihnen, liebe Leser, zeigen, welche Pflanzen unter dem Deckmantel der Wissenschaft in Ihrer Stadt wachsen.