Wattenscheid. Nach anfänglicher Impfmüdigkeit ist die Stimmung offenbar umgeschlagen: Immer mehr Menschen wollen sich gegen die so genannte Schweinegrippe impfen lassen. „Das Interesse ist sprunghaft gestiegen”, bestätigt Dr. Stefan Janssen.

Der Internist ist einer von zurzeit 15 niedergelassenen Ärzten in Wattenscheid, die gegen die Neue Grippe impfen. "Seit letzter Woche mache ich kaum noch etwas anderes", erklärt er.

Ähnlich sieht es bei Dr. Brigitta Becker aus: „Den Praxisbetrieb normal laufen zu lassen, ist zurzeit gar nicht möglich. Was meine Helferinnen leisten, ist fast schon übermenschlich.” Die Kinder- und Jugendärztin hat die Impftermine extra auf den Mittwochnachmittag gelegt, kommt aber mit der Arbeit kaum noch nach. „Viele lassen sich noch einmal extra beraten.” Die anfängliche Panik habe sich aber mittlerweile gelegt: „Durch viel, viel Aufklärungsarbeit.”

Schweinegrippe ist hoch ansteckend

Bedrohlich, erklärt Dr. Brigitta Becker, sei die Neue Grippe nur für Menschen mit Vorerkrankungen. Dennoch rät sie auch Lehrern, Kindergartenpersonal und allen, die beruflich viel mit Menschen zusammen kommen, zur Impfung – weil sie das Virus weitertragen können. „Man muss nicht zwangsläufig selbst erkranken, aber man kann andere anstecken.” Denn die Schweinegrippe sei hoch ansteckend und breite sich schnell aus.

In der raschen Ausbreitung der Erkrankung sieht Dr. Michael Rosenkranz einen Grund für die zunehmende Impfbereitschaft. „Dadurch haben viele Leute doch gemerkt, dass die Impfung sinnvoll ist”, erklärt der Allgemeinmediziner, der ebenfalls gegen die Neue Grippe impft. Mittlerweile, weiß Dr. Rosenkranz, sei der Impfstoff bereits knapp geworden: „Der Ansturm ist wohl größer, als die Industrie erwartet hatte. Wir sind allerdings noch gut mit Impfstoff versorgt.”

Impfnachfrage bei Klinikpersonal sehr verhalten

Eine „deutlich gestiegene Impfwilligkeit” hat auch die Internistin Dr. Susanne Jaresch festgestellt. „Wir haben viele Anfragen, und das scheint sich noch zu steigern.” Die Rheumatologin impft allerdings nur ihre Bestandspatienten und deren Angehörige. „Anders geht das in unserer Praxis schon rein organisatorisch nicht.”

Deutlich weniger impfwillig als die „normale” Bevölkerung sind offenbar die Angestellten in Kliniken. „Die Nachfrage ist im Moment sehr verhalten”, erklärt Diplom-Kaufmann Jürgen Kannemann, Verwaltungsleiter im Martin-Luther-Krankenhaus. Von rund 550 Mitarbeitern hätten sich erst neun impfen lassen; fünf stünden auf der Warteliste. Wahrscheinlich wisse das Personal über den ja noch ungetesteten Impfstoff besser Bescheid als der Normalbürger, mutmaßt Kannemann.

KOMMENTAR: Verantwortungslos

Wer das Schweinegrippevirus trägt, das sagt Kinderärztin Dr. Brigitta Becker ganz deutlich, muss nicht zwangsläufig erkranken. Aber er kann das Virus übertragen und andere anstecken.

Zwar verläuft die Neue Grippe in vielen Fällen harmlos, doch für Menschen, die bereits eine Vorerkrankung haben, kann sie gefährlich werden. Genau aus diesem Grund wird zur Impfung geraten.

Doch dieser Appell verhallt offenbar gerade bei jenen ungehört, die es besser wissen müssten: beim Klinikpersonal. Gerade Ärzte und Krankenpfleger kommen tagtäglich mit Vorerkrankten zusammen, für die eine Infektion lebensbedrohlich sein könnte. Deshalb läuft jeder nicht geimpfte Arzt Gefahr, Patienten nicht zu heilen, sondern krank zu machen. Die Impfmüdigkeit des Klinikpersonals ist vor allem eines: verantwortungslos!

„Andererseits besteht natürlich das Risiko erhöhter Mitarbeiterausfälle”, gibt er zu bedenken. „Wir haben die Impfung angeboten und empfohlen – aber es ist natürlich die freie Entscheidung des Mitarbeiters, ob er sich impfen lässt oder nicht.”

„Wir haben allen Mitarbeitern die Impfung angeboten”, sagt auch Thomas Drathen, Geschäftsführer des Marienhospitals. Am Donnerstag sei eine Ärztin für die Impfung vor Ort, aber bislang hätten sich erst rund 50 von mehr als 200 Mitarbeitern angemeldet. Bei der Impfung gegen die saisonale Influenza sei die Resonanz höher gewesen, „aber vielleicht lassen sich doch noch einige spontan impfen, nachdem die Infektionsrate in Deutschland gestiegen ist”.