Gelsenkirchen/Essen. Am 2. August begann der Prozess gegen sechs Männer aus Gelsenkirchen und Essen vor der XVI. Strafkammer. Die Räuberbande hatte zahlreiche Geschäfte in der Region überfallen und einige Einbrüche begangen. Nun endete der Prozess vor dem Landgericht - mit langen Haftstrafen für alle Beteiligten.
Zwischen fünf sowie neun Jahren und vier Monaten Haft verhängte das Landgericht Essen am Freitag gegen eine Räuber- und Einbrecherbande aus Gelsenkirchen und Essen. Die sechs Angeklagten hatten sich auf Filialen von Supermarktketten spezialisiert, oft waren Mitarbeiter der Geschäfte eingeweiht. Bei Einbrüchen geklaute Tresore wurden im Kanal entsorgt.
Wie zum Prozessauftakt am 2. August glich auch das Urteil vor der XVI. Strafkammer fast einem Familientreffen. Verwandte und Freunde nutzten die Gelegenheit, die seit Anfang des Jahres inhaftierten Männer auch ohne Besuchserlaubnis für das Gefängnis zu sehen. Als Richter Martin Hahnemann die Urteile seiner Kammer verkündete, flossen auch Tränen, obwohl angesichts der Geständnisse realistisch kaum ein anderes Strafmaß zu erwarten gewesen wäre.
Komplizen ans Messer geliefert
Der Hauptangeklagte Tarek C. (34) aus Bulmke-Hüllen bekam mit neun Jahren und vier Monaten Haft die höchste Strafe. Elf Raubdelikte wies die Kammer ihm nach, dazu 17 Einbrüche. Der eigentliche Räuberhauptmann Claudio P. (34) saß in diesem Prozess nicht auf der Anklagebank.
Als er Anfang 2012 zu achteinhalb Jahren Haft für neun Überfälle verurteilt wurde, entschloss er sich anschließend zu einer Lebensbeichte unter der Zusicherung, deshalb zu keiner höheren Strafe verurteilt zu werden. Von rund 150 Taten seit 2003 erzählte er der Polizei, lieferte 30 Komplizen ans Messer.
Sein Strafmaß galt der Kammer offenbar als Richtschnur. Richter Hahnemann erinnerte daran, dass er in seinen 15 Jahren als Strafrichter niemanden mit so vielen Taten in einem solch langen Zeitraum erlebt habe. Bei Tarek C. denke deshalb jeder sofort an die Höchststrafe von 15 Jahren. Aber hier gehe es auch „um gleiche Gerechtigkeit für alle“.
Ruhrgebietsweit aktiv
Auf die einzelnen Taten ging Hahnemann angesichts der 89 angeklagten Delikte nicht detailliert ein. Ruhrgebietsweit war die Bande aktiv. In Gelsenkirchen hatten sie von einer Lidl-Mitarbeiterin einen Tipp bekommen. Am 3. Dezember 2007 stürmten sie maskiert und mit einer Pistole bewaffnet die Filiale am Kärntener Ring. Die Komplizin fesselten sie zum Schein, deren nicht eingeweihte Kollegin erlebte den Schrecken und die Angst als Opfer hautnah. Beute: 40.000 Euro.
Besonders dreist: In Essen holte die Bande aus einem Geldautomaten am Finanzamt 52.000 Euro. Eingeweiht war ein Mitarbeiter der Aldi-Filiale in Altenessen. Beute: 60.000 Euro. In Wattenscheid an der Krayer Straße war sogar der Filialleiter eingeweiht, als die Bande dort Aldi übefiel und 52.000 Euro mitnahm.
Manchmal reichte auch die kleine Beute
Es mussten nicht immer die großen Überfälle sein. In Witten reichten ihnen Filialen der Bäckereikette Malzers, aus denen sie insgesamt rund 5000 Euro erbeuteten. In Bottrop nahmen sie aus der Malzersfiliale an der Scharnhölzerstraße den Tresor mit, in dem 1700 Euro lagen. In einer Autowerkstatt an der Stadtgrenze zu Essen hebelten sie die Tresore direkt vor Ort auf: 7684,01 Euro.
Dreimal war die Bande in Gladbeck aktiv. Zweimal zählte wiederum Malzers zu ihrem Ziel. Getäuscht wurden sie mit dem Tipp, in einem Bürohaus an der Straßburger Straße könnten sie 25.000 Euro Bargeld erbeuten. Das Geld fanden sie nicht.
Weil die Angeklagten über die Jahre Berufen nachgingen und den bürgerlichen Schein wahrten, fielen sie nicht weiter auf. Patrik L. (33), ebenfalls aus Bulmke-Hüllen, arbeitete bei Aldi und Lidl. Ihn verurteilte das Gericht zu sieben Jahren und drei Monaten Haft. Kenan S. (40), der am Rande der Gelsenkirchener Innenstadt lebte, hatte als einziger Angeklagter erst spät ein Geständnis abgelegt. Sieben Jahre Gefängnis bekam er. Richter Hahnemann lobte im Urteil die Atmosphäre des Prozesses. Trotz der hohen Straferwartung sei sie angenehm gewesen.