Essen. . Fast 100 Straftaten wirft die Anklage ihnen vor: Vor dem Landgericht Essen müssen sich sechs mutmaßliche Mitglieder einer Räuberbande verantworten. Ihnen werden Überfälle auf Supermarkt-Filialen vorgeworfen. Die Bande flog auf, weil ihr „Räuberhauptmann“ sich zu einer Lebensbeichte entschloss.

Fleißig waren sie. Fast sieben Jahre lang machten sie Supermärkte unsicher, brachen dort ein oder fesselten Mitarbeiter. Jetzt sitzen sechs der mutmaßlichen Räuber auf der Anklagebank im Landgericht Essen. Fast 100 Straftaten wirft die Anklage ihnen vor, enttarnt durch die Lebensbeichte ihres „Räuberhauptmanns“.

Der Gelsenkirchener Claudio P. (34) hatte im Januar 2012 achteinhalb Jahre Haft für neun Überfälle auf Filialen von „Netto“ und „Fressnapf“ kassiert. Danach wollte er Hafterleichterung und kündigte eine „Lebensbeichte“ an mit der Zusicherung, dass er dafür nicht noch einmal verurteilt würde. Dann legte er los, gestand die auch für die Ermittler unfassbare Zahl von rund 150 Einbrüchen und Raubüberfällen. 30 Komplizen belastete er mit seinem Geständnis. Bis auf einen räumten alle nach und nach die Taten ein. Nur er sprach von einer Verschwörung der anderen.

Auch Mitarbeiter aus Supermärkten dabei

Bürgerlich waren die Bandenmitglieder, hatten Familie, gingen arbeiten. Das war für die Gruppe vorteilhaft. Denn viele waren in den Filialen von Aldi und Lidl oder in der Bäckereikette Malzer’s beschäftigt. Wertvolle Tipps gaben diese Mitarbeiter, die sich zum Schein fesseln ließen. In Wattenscheid erbeuteten die Täter am 2. September 2006 aus einem Aldi-Markt 52 000 Euro, eingeweiht waren der Filialleiter und sein Stellvertreter.

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Rund 52 000 Euro holten sie am 11. April 2010 auch aus dem Geldautomaten am Finanzamt Essen. Für diese Tat hatten sie extra investiert und eine Hydraulikpresse für 1500 Euro gekauft, die allerdings während der Tat den Geist aufgab. So arbeiteten sie nachts mit Hammer, Meißel und Brecheisen, bis sie den Tresor geöffnet hatten.

Was sich wie eine schräge Räuberpistole anhört, hatte für die echten Überfallopfer erhebliche Konsequenzen. In einem Parallelprozess fing eine Verkäuferin an zu weinen, als sie die Tat schildern musste. Die Räuber waren immer maskiert und mit einer silbernen Pistole bewaffnet in die Geschäftsräume eingedrungen. Sie fesselten die Mitarbeiter mit Kabelbindern und warnten sie, die Polizei nicht zu schnell zu rufen.

Nicht immer die große Beute

Laut Anklage gaben die Bandenmitglieder sich auch mit wenig zufrieden. Rein zufällig hatte einer von ihnen in der Nähe eines Getränkemarktes in Essen-Kupferdreh als Bauhelfer gearbeitet. Das Objekt schien ihm lohnend, er überzeugte seine Komplizen. Zu sechst reisten sie aus Gelsenkirchen an, durchsuchten den ganzen Markt. Doch sie fanden kaum Geld, keinen Tresor. Da nahmen sie Zigaretten und Spirituosen mit. Einer steckte sich Fußballsammelbilder für 420 Euro ein. Die schenkte er seinem Neffen.