Gelsenkirchen. Die SPD-EU-Politikerinnen Jutta Haug und Birgit Sippel diskutierten am Freitagabend auf Initiative von Venetia Harontzas im Lalok Libre. Rund 100 Besucher kamen. Unter ihnen waren auch einige Rumänen, die indes mangels Dolmetscher wohl nichts verstanden haben dürften.

Das Thema Zuwanderung polarisiert. Die Zweifler warnen vor Sozialschmarotzertum und Beschaffungskriminalität – ihr Gegenüber wirbt für ein freundliches Willkommen in Gelsenkirchen und die Bereitschaft, sich unvoreingenommen auf die Neuankömmlinge einzulassen und sie an die Hand zu nehmen.

Jutta Haug bringt es auf den Punkt: „Wir müssen die Angst abbauen. Und das heißt: gucken, reden, kennen lernen.“ Die Europaparlamentarierin hat die, wie sie sagt, Fachfrau Birgit Sippel, ebenfalls SPD-EU-Politikerin, zum Diskussionsabend ins Lalok Libre mitgebracht. Initiiert hat das Treffen Venetia Harontzas.

Kritik an der EU-Osterweiterung

Aus gutem Grund: Hier ist europäische Vielfalt – türkischsprachige Roma inklusive – längst Realität. Rappelvoll ist es am Freitagabend. Die beiden Politikerinnen sparen nicht mit Kritik an der EU-Osterweiterung, an einem unter konservativem Einfluss geschaffenen Europa, „in dem Binnenmarktinteressen regieren“. Birgit Sippel merkt an: „Keiner hat die soziale Lage in beiden Ländern und eine Veränderung der Situation im Blick gehabt.“

Da kommt ein Zwischenruf aus der Ecke des Lalok, in der Vertreter der Gelsenkirchener Linken sitzen. „Wo bleiben die aberwitzigen Summen, die aus Deutschland und anderen EU-Staaten nach Rumänien und Bulgarien gepumpt werden?“ Steilvorlage für Birgit Sippel, die erklärt: „Tatsächlich werden Mittel aus dem europäischen Sozialfonds von den beiden Ländern nicht abgerufen.“ Womit erklärt sei, warum die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Roma und Sinti in ihren Herkunftsländern gleich Null sei.

Flammender Appell einer 78-Jährigen: „Seid nicht so kleinlich!“

Natürlich sei die Herausforderung besonders groß, wenn man sich die Namen der Kommunen anschaue, in die Zuwanderer bevorzugt ziehen würden: „Dortmund, Gelsenkirchen, Duisburg, Städte also, die schon vorher soziale Probleme hatten“, stellen die SPD-Frauen fest, was im Saal ohnehin schon alle wissen. Aber es geht den Zuhörern um mehr, als bekannte Fakten. Der junge Mann etwa, der sich als 22-jähriger Migrant mit türkischen Wurzeln vorstellt, mahnt an: „40 Jahre wurde Integration in Deutschland verschlafen.“ Und Falken-Vorsitzender Paul M. Erzkamp etwa sagt an anderer Stelle: „Die rassistischen Klischees in den Köpfen sind dieselben wie vor 100 Jahren.“

Sozialdezernentin Karin Welge beschwört die große gesellschaftliche Aufgabe, „gemeinsam anzupacken, damit wir das hinkriegen“, lässt aber nicht unerwähnt, dass das EU-Parlament Geld locker machen müsse. Und zwar schnell.

Mit ihren 78 Jahren ist Doris Tachojani wohl die Älteste hier. Sie richtet vor dem Hintergrund der Not, die sie selbst einmal erlebte, einen flammenden Appell in die Runde: „Seid nicht so kleinlich!“