Gelsenkirchen. Gedenkumzug, Kundgebung und klare Worte: Die Demokratische Initiative Gelsenkirchen erinnerte an den 75. Jahrestag der Reichspogromnacht . Oberbürgermeister Frank Baranowski warb für Toleranz und Respekt. Den beeindruckendsten Auftritt hatten Jugendliche. Sie berichteten über ihre Eindrücke im KZ Auschwitz.

„Der Abend ging mir unter die Haut“, sagte Oberbürgermeister Frank Baranowski. Und nicht nur ihm ging es so, alle Beteiligten schienen berührt – im Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 zogen am Samstag etliche Menschen gemeinsam vom Bahnhofsvorplatz zum Hans-Sachs-Haus, wo im Bürgerforum an die damaligen Ereignisse erinnert wurde – mit Lesungen, Reden, Musik und einem Film.

„Über Auschwitz zu sprechen, fällt nicht leicht“, begann Baranowski seine Rede. Er richtete das Wort an die mehr als 100 Bürger, die gekommen waren, betonte, welche Rolle Respekt und Toleranz für ein friedliches Zusammenleben spielen: „Weil wir so die Lehren aus einer Geschichte, die wir niemals vergessen dürfen, in unserer Stadt präsent halten“. Auch 80 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten muss immer wieder daran erinnert werden.

Erlebte Geschichte(n) aus dem KZ

Dies hat sich auch der Ziegenmichel e.V. zum Ziel gesetzt, und veranstaltet mit Jugendlichen Fahrten zum Konzentrationslager in Auschwitz, zuletzt im November 2012. Ihre Eindrücke haben die 18 Jugendlichen in einer Broschüre festgehalten, auch ein Film ist entstanden. Vier von ihnen bestritten einen der wohl eindrucksvollsten Programmpunkte des Abends: sie lasen ihre Texte, die sie nach der Fahrt ins KZ verfasst haben, das erste Mal vor Publikum vor. Eine Erfahrung, die nicht nur von Aufregung getragen war, sondern auch die erlebten Emotionen wieder hervorbrachte – „unmenschlich“, „grausam“ und „krank“, Adjektive, die häufig in ihren Texten vorkommen. Doch auch Begriffe wie „Trauer“, „Wut“ und „Stille“ ließen den Hörer nur annähernd nachvollziehen, welche Erfahrungen die jungen Menschen aus der Exkursion mitgenommen haben. Der Film dazu – schwarz-weiß Aufnahmen, Impressionen vom KZ, untermalt von jüdischem Gesang, unterbrochen von Gesprächen mit den Jugendlichen unmittelbar nach der Führung – zeigt sie um Worte ringend, fassungslos und tief berührt.

Sie gewannen so eine ganz andere Sicht auf die Geschehnisse, die auch Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, als ungemein wertvoll erachtet: „Die Jugendlichen sind geschockt, innerlich zerrissen – so nehmen sie die Erkenntnisse in ihr Leben mit“. Dass dem so ist, wurde nicht nur bei dem Text von Melike Aydin (17) deutlich – „Ich bin gegen das Vergessen.“