Gelsenkirchen. Nach dem Bericht über Elke C., die ihren aggressiven Sohn geschlossen untergebracht sehen will, meldete sich jetzt das Ehepaar M. zu Wort. Sohn Philipp wurde von Ärzten eine Bindungsstörung attestiert. Der 14-Jährige bedrohte seine Eltern bereits mit einem Fleischmesser.

Zwei verzweifelte, vom Jugendamt enttäuschte Mütter, zwei 14-jährige vom Schulunterricht suspendierte und sozial offenbar unverträgliche Pubertierende und schließlich ein Jugendamt, dass mit seinem Latein auf Grund des rechtlichen Handlungsspielraums bald am Ende ist. Dabei, versichert der Referatsleiter Erziehung, Alfons Wissmann, sind die Geschichten von Sebastian und Philipp (Namen geändert) beileibe keine Einzelfälle.

Der Unterschied allerdings: Hier reden beide Familien öffentlich über ihre Sorgen um die Zukunft der Jungen. Elke C. machte den Anfang, als sie im Gespräch mit der WAZ den Wunsch äußerte, man möge Sebastian doch in einer geschlossenen Einrichtung unterbringen, damit er nicht auch noch kriminell wird.

Die Geschichte lasen auch Mutter und Stiefvater von Philipp. Eines 14-Jährigen, dem Ärzte und Psychologen eine Bindungsstörung attestierten und der sich als hoch aggressiver Totalverweigerer in eine absolute Außenseiterrolle katapultiert hat.

Die Eltern mit dem Messer bedroht

Höhepunkt der familiären Ereignisse: Der Junge hat die eigenen Eltern mit einem Fleischmesser bedroht. Sie brachten sich auf dem Balkon in Sicherheit und riefen von dort aus Feuerwehr und Polizei an. Erstgenannte fühlten sich nicht zuständig. Und es mag der Unkenntnis von Philipps Biografie geschuldet sein, was da ein Beamter am Telefon gesagt haben soll: „Sie werden doch wohl mit einem 13-Jährigen fertig werden!“

Eben nicht. Alle Ärzte und Psychologen, bei denen ihr Sohn gewesen sei, hätten ihm keine Medikamente verabreicht, erzählt die Mutter. Lediglich während eines Klinikaufenthalts und der Anschlusszeit habe er in einer Stresssituation ein Medikament bekommen. Unterbringung in einem Heim scheint wegen der aggressiven Verweigerungshaltung des Jungen zurzeit nicht möglich. Das Jugendamt setzt auf ein medizinisch-psychiatrisches Gutachten und hat der Mutter vorgeschlagen, einen anderen Psychiater aufzusuchen.

Philipps Fall wird hier längst mit Hilfen begleitet: Erziehungsbeistandsschaft, außerschulische Tagesbetreuung, zwei Jahre Aufenthalt in der Intensivgruppe eines Kinderheims. Wie im Fall Sebastian weist Alfons Wissmann auch hier auf die Grenzen des Jugendamts. „Wir können Jugendliche durch den Vordereingang ins Heim bringen. Der geht hinten wieder raus.“ Die Entscheidung über eine geschlossene Unterbringung könne nur das Gericht treffen.

Elke C. will zum Anwalt gehen

Philipps Mutter fürchtet den Zeitfaktor. „Bis ich einen Termin bekomme und alle Unterlagen von den bisher behandelnden Ärzten vorliegen, vergehen doch Monate.“

Im Hilfeplangespräch habe sie dem Jugendamt jetzt vorgeschlagen, Sebastian im Ausland unterzubringen, erzählte Elke C. Aber: „Auch das geht angeblich nur mit richterlichem Beschluss“, habe man ihr gesagt. Auf das Protokoll dieses Hilfeplangesprächs wartet die Mutter des 14-Jährigen nun. Sie will darüber, wie sie Dienstag ankündigte, anschließend mit ihrem Anwalt reden.