Gelsenkirchen.

„Kein Kind zurück lassen“, hat sich die Stadt auf die Fahne geschrieben. Das schließt auch die traurigen Aspekte ein. Die Geschichten von Kindern, die die Stadt in Obhut nehmen muss. Weil akute Gründe dies erforderlich machen, Gefahr in Verzug ist. Oder aber eine allein erziehende Mutter ins Krankenhaus muss und niemanden hat, der ihr Kind in der Zeit betreut.

Der wachsende Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten in Pflegefamilien – insbesondere in Kurzzeit- oder Bereitschaftspflege – hat Jugendamtsleiter Alfons Wissmann jetzt zu einer nicht alltäglichen Rundmail an alle Mitarbeiter der Stadt Gelsenkirchen inspiriert. Betreff: Pflegeeltern gesucht.

Sicherheit und Geborgenheit

„Damit sich ein Kind psychisch und physisch gut entwickeln kann, braucht es verlässliche Beziehungen. Es sollte möglichst die Sicherheit und Geborgenheit einer Familie erleben können“, argumentiert er darin mit dem Ziel, das Interesse an der Übernahme der Aufgabe zu wecken. „Wir haben das schon mal vor über zehn Jahren gemacht. Mit mäßigem Erfolg“, sagte Wissmann zur WAZ. Der wachsende Bedarf hat die erneute Werbung (zunächst) in den eigenen Reihen beflügelt.

Die Zahlen sprechen für sich: „Wir haben täglich drei bis fünf neue Fälle im Bereich Hilfe zur Erziehung.“ Aktuell leben in Gelsenkirchen 255 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien, 230 sind in Heimen untergebracht. Dass die Zahl der Pflegefamilien inzwischen höher ist als die der Heimunterbringung, wertet Wissmann als positiv. Das Verhältnis habe einmal anders ausgesehen. Was an der großen Vakanz im Bereich Kurzzeitpflege- und Bereitschaftsfamilien indes nichts ändert.

Lediglich fünf Bereitschaftsstellen gibt es und gerade mal drei Pflegefamilien mit muslimischem Hintergrund. „Die Einbindung türkischer Pflegefamilien ist uns besonders wichtig.“ Wissmann kündigte dazu eine gezielte Werbeaktion des Referats Erziehung und Bildung an.

Einer, der die Entwicklung aufmerksam verfolgt und Wissmanns Bemühungen begrüßt, ist FDP-Fraktionschef Jens Schäfer. Von anderen Fraktionen ist er bei den Haushaltsberatungen gerügt worden, als er im Zusammenhang mit seiner Forderung nach mehr Unterbringung in Familien statt in Heimen neben pädagogischen auch finanzielle Aspekte angeführte: rund 4000 Euro monatlich kostet ein Heimplatz. „Die deutlich teurere Möglichkeit“, meint auch Wissmann.