Gelsenkirchen.. Die neuen Ombudsleute für Gelsenkirchen, Ingrid Beinhauer und Christoph Graffweg, haben ein offenes Ohr für betreute Kinder und Jugendliche in Wohngruppen. Sie schlichten Streit, erarbeiten Kompromisse.

Trennung der Eltern, häusliche Gewalt, Missbrauch – es gibt eine Vielzahl Gründe, warum Kinder aus ihren Zuhause genommen werden und in von Erziehern betreuten Wohngruppen aufwachsen. Die Ev. Kinder- und Jugendhäuser in Gelsenkirchen und Wattenscheid bieten seit Jahrzehnten Familien in Notlagen kompetente Hilfe an. Ganz neu sind jetzt die ehrenamtlich tätigen Ombudsleute: Ingrid Beinhauer und Christoph Graffweg. Sie agieren als Ansprechpartner in Problemsituationen für Kinder, Jugendliche und deren Familien.

„Unsere Aufgabe besteht darin, im Konfliktfall beiden Seiten in einem vertrauten Gespräch Gehör zu schenken, die Situation als Außenstehende mit etwas mehr Abstand zu betrachten, Kompromisse auszuloten oder gemeinsam mit Kindern und Erziehern Lösungen zu erarbeiten“, erklärt Ingrid Beinhauer. Die Sozialarbeiterin spricht mit sanfter Stimme, und wenn sie lächelt, dann treten feine Lachfalten keck hervor – die ebenso engagierte wie rüstige Dame ist 73.

Erstmal die Luft rauslassen

Zum alten Eisen mag sie sich noch lange nicht zählen. Denn ihre Erfahrung ist im Streitfall Gold wert: Ingrid Beinhauer war 15 Jahre lang beim Jugendamt der Stadt Gelsenkirchen beschäftigt. Auch nach ihrer Pensionierung engagiert sie sich in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft vor Ort. Daher sind ihr die vielfältigen Konflikte, in denen sich Kinder, Jugendliche und ihre Eltern befinden können, vertraut.

„Oftmals sind es Kleinigkeiten, an denen sich Auseinandersetzungen hochschaukeln und die die Eingliederung in die Wohngruppe stocken lassen“, erklärt die Ombudsfrau, auch stellvertretend für ihren Kollegen Christoph Graffweg, der kurzfristig erkrankte. „Mal schmeckt das Essen oder auch der Küchendienst nicht, mal mokiert sich ein Kind darüber, zu früh zu Bett gehen zu müssen, ein anderes Mal darüber, zu wenig Zeit zum Spielen zu haben.“ Auch die Konkurrenz zu anderen Jungen und Mädchen spiele oftmals eine Rolle.

Klare Regeln, klare Grenzen

Hier tritt dann Ingrid Beinhauer auf den Plan, ruhig und darauf bedacht, erst einmal, „die dicke Luft rauszulassen“ und nicht auf ein allzu schnelles Urteil hin gedrängt zu werden, „denn die Kinder wollen ernst genommen werden“. Ist die Lage geklärt, wird ein Entscheidung getroffen, wie vorzugehen ist.

Gerade eine klare Linie ist ihrer nach Meinung wichtig. Aus ihren vielen Berufsjahren hat sie die Erkenntnis gezogen, dass es heutzutage an Gewissheiten fehlt. Soll heißen: „Es wird zu viel daheim diskutiert, aber letztendlich zu wenig entschieden.“ Das überfordere die Kinder, sie bräuchten in ihrer Entwicklung klare Grenzen und Regeln, an denen sie sich orientieren könnten.

Hilferufe über das Notfallhandy und per Mail

Auch Christoph Graffweg blickt auf langjährige Erfahrungen mit jungen Menschen in problematischen Situationen zurück. Seit 1980 arbeitet er als Sonderschullehrer an Förderschulen, er leitet die Wattenscheider Fröbelschule.

Ingrid Beinhauer und Christoph Graffweg stellen sich nun bei einer Tour durch die Einrichtungen des Ev. Kinder- und Jugendhauses den Kindern und Erziehern vor. Erreichbar sind die Ombudsleute durch ein Notrufhandy und per Mail. Die Kontaktdaten liegen in den Häusern gut zugänglich aus.

Kinderrechte sichern

Gemäß dem zum 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Bundeskinderschutzgesetz haben Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe „ein geeignetes Verfahren der Beteiligung zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen sowie die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten“ zu gewährleisten. Das geschieht im Kinder- und Jugendhaus durch die ehrenamtlichen Ombudsleute. Das Duo hat seine Tätigkeit zum 1. März aufgenommen.

Zunächst beginnt eine mehrmonatige Testphase, nach Ablauf werden die Ergebnisse analysiert und entschieden, ob die Vermittler künftig dauerhaft zum Einsatz kommen.

Das Ev. Kinder- und Jugendhaus ist eine Einrichtung des Diakoniewerkes Gelsenkirchen und Wattenscheid mit stationären und ambulanten Angeboten. Rund 170 Kindern und Jugendlichen wie auch jungen Erwachsenen und Familien werden Hilfen zur Erziehung angeboten. In zwei Kindertagesstätten in Gelsenkirchen und Wattenscheid werden 45 bzw. 40 Kinder und weitere 20 Kinder im Rahmen der OGS an der Fröbelschule gefördert.