Gelsenkirchen. Die offene Werkstatt am Bahnhofsvorplatz ist für vier Tage ein Spielfeld für Stadtplanungsprozesse. Zu Kultur-Champignons und Auto-Schrott im „ArchipelInvest“ gibt es kollektive Experimente und Sonntag eine gemeinsame Pilz-Ernte.

Pilze mögen es dunkel. Ideale Wachstums-Bedingungen also, die so ein aufgelassenes Ladenlokal zu bieten hat. Und so drücken sie am Bahnhofsvorplatz 4 ihre weißen Köpfe aus der Anzuchterde ans Kunstlicht. Hunderte rote Kisten füllen den Raum, durch die Pilz-Plantage führten Paletten-Stege.

Im Hintergrund steht ein abgeranzter Opel Corsa. Er soll in den nächsten Tagen künstlerisch zerlegt werden, um Neues zu schaffen. Handwerklich versierte Schrauber sind ausdrücklich dazu eingeladen – wie zu weiteren Workshops und Kunst-Aktionen. Sie erwarten Kultur-Champignons und Kreativ-Schrott – zwei von einer ganzen Reihe Überraschungen auf zwei Etagen, die der Urbane Künste Ruhr Salon unter der Regie der Kultur Ruhr GmbH zu bieten hat.

Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht

Das ehemalige Quelle-Haus dient dabei von Donnerstag, 26. September (Eröffnung 18 Uhr), bis Sonntag, 29. September, täglich ab 12 bis 22 Uhr „als Quelle des Archipels“, als „begrenzte Sondernutzungszone im Stadtgebiet“. „Alternativen für Stadtplanungsprozesse“ sollen hier realisiert werden.

Hört sich verkopft an, ist aber ein Abenteuer, auf das man sich ohne große Vorbehalte einlassen kann. Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht – und sei es nur, um am Ende der Werkstatt-Tage die Pilz-Kisten abzuernten. So 200 Kilo Kultur-Champignons, schätzt Philipp Horst gibt es zu verteilen und zwischendurch zu verarbeiten, zum Beispiel mit Besucherkindern.

Horst gehört wie Matthias Einhoff, Markus Lohmann und Harry Sachs zum Kollektiv „KUNSTrePublik“, das – mit Preisen gewürdigt – von 2006 bis 2010 den Skulpturenpark Berlin Zentrum kuratierter und betreute. Nun, als neues Langzeitprojekt, also das Revier.

Langzeitprojekte im Vest und im Revier

Zum „Archipel“ gehören Kunst-Inseln. Die liegen vornehmlich im Vest – und spielen auch mit der Regionalbezeichnung. Für „Myvest“ wurden beispielsweise in Castrop-Rauxel mit Migrantinnen individuelle Kleidungsstücke gefertigt, die persönliche Zuwanderer-Geschichten erzählen.

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Mit „Invest“ realisiert ein Künstler-Duo in Oer-Erkenschwick ein soziales Langzeitexperiment. Zehn Spielern wird eine eingezäunte, leere Fläche zugewiesen. Die Spieler haben zu entscheiden, wie sie neun Monate lang zweimal pro Monat 40 Euro in die Entwicklung der Zone investieren wollen.

Die gleiche Aktion findet zu gleichen Konditionen in Indien statt. Eindrücke von Mode, sozialen Experimenten und Fillmsequenzen, Tischgespräche und – erhofft – einen neuen, sicher aber schrägen Blick aufs Revier bietet die Werkstatt im „Archipel“. Und wem das zu verkopft ist, der kann zumindest eine Kunst-Idee ankurbeln. Das Projekt „Harvest“ versucht mit „Power the Pott“ Potenziale „von Sport, Bevölkerungsalterung und erneuerbarer Energie als Modell der Postwachstumsökonomie im Ruhrgebiet zu nutzen“. Simpel gesagt: Auf „Spinning Bikes“ wird Strom produziert.