Gelsenkirchen. Der Wohnungsmarkt bereitet der Stadt nach wie vor Sorgen. Niedriges Mietniveau ist Gift für dringend notwendige Modernisierungen. Der demographische Wandel, aber auch das Wegziehen der Arbeit wegen, zählen zu den Gründen für den Leerstand.

Es gehört schon seit Jahren zum Stadtbild: Heruntergelassene Rollladen und leerstehende Häuser. Um den Wohnungsmarkt ist es nicht besonders gut bestellt. „Er dümpelt eher vor sich hin“, wie Rolf Kerckhoff, Vorsitzender von Haus und Grund sagt. „Über 15.000 Wohnungen stehen leer. Und es werden mehr.“

Dafür gibt es viele Gründe. Angefangen vom demografischen Wandel über das Wegziehen der Arbeit wegen bis hin, dass Vermieter Wohnungen lieber leerstehen lassen, bis sie einen passenden Mieter gefunden haben oder Wohnungen sind in einem Zustand, dass niemand sie mieten möchte.

Die Bandbreite ist groß. Sozialer Zündstoff inklusive. Der könnte sich mit der Erweiterung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit ab 2014 noch verschärfen. Schon jetzt, so berichtet eine Vermieterin (47) würden alte Mehrfamilienhäuser aus Zwangsversteigerungen heraus günstig gekauft und zu Einraumzimmern mit mehreren Betten umgebaut, die dann an Leiharbeiter aus dem Ausland vermietet werden. Ein äußerst profitables Geschäft, das aber Folgen haben könnte. Immer da, wo unterschiedliche Lebenseinstellungen aufeinandertreffen, gibt es häufig einen Wechsel. Die einen ziehen aus, die anderen kommen. Solche Wanderungen hat Kerckhoff auch in Bulmke-Hüllen ausgemacht.

Steigende Nebenkosten belasten Geldbeutel

Eine Situation, die sich im Stadtgebiet weiter verschärfen könnte, wie selbst Innenminister Ralf Jäger es einschätzt. Der hat schon mal für Großstädte vorsorglich 7,5 Millionen Euro mehr für Soziallasten bereitgestellt. Denn er rechnet, dass mit der Arbeitnehmer-Freizügigkeit ab 2014 eine Armutswanderung aus Osteuropa hinein in die Großstädte und dort in strukturschwache Stadtteile stattfindet. Mit dem Geld sollen von vornherein soziale Spannungen abgebaut werden, damit es nicht eskaliert.

Dass es mit dem erwarteten Zuzug zu einer Belebung auf dem Wohnungsmarkt kommt, daran glaubt Kerckhoff eher nicht. Im Gegenteil. „Die Mieten in Gelsenkirchen sind zu niedrig“, sagt er. 4,30 bis 4,50 Euro pro qm sorgen nicht für notwendige Modernisierungen. „Wird die Miete erhöht, ziehen die Leute aus, weil es ja genug preisgünstigen Wohnraum gibt. Deswegen scheuen viele notwendige Investitionen“, beschreibt er den Kreislauf und bezeichnet ihn als ungesund. Vermieter bestätigen dies im Gespräch mit der WAZ. „Ich kann froh sein, wenn ich nach einer energetischen Modernisierung, von der elf Prozent möglichen Mieterhöhung zwei bis drei Prozent umsetzen kann“, sagt die 47-Jährige Vermieterin, die mehrere Häuser unterhält. „Die Miete“, sagt Kerckhoff, „ist längst nicht mehr das Teuerste an einer Wohnung. Es sind die ständig steigenden Nebenkosten, die den Geldbeutel belasten.“ Das führe aber nicht dazu, dass ein gut gedämmter Wohnraum gefragt ist. Die Leute würden einfach in kleinere Wohnungen ziehen.

Mehr Fort- als Zuzüge

Der Wohnungsleerstand und Geisterhäuser gehören zu den großen Problemen in der Stadt. Das wissen auch die Verantwortlichen und haben Maßnahmen ergriffen. So tut sich z.B. was an der Bochumer Straße, in Schalke wurde gezielt gefördert. „Da hat sich einiges verbessert“, sagt auch Rolf Kerckhoff von Haus und Grund. Allerdings von heute auf morgen werden sich Leerstände nicht in Luft auflösen. Die Veränderung auf dem Wohnungsmarkt wird noch Jahre und viel Geld in Anspruch nehmen.

So ziehen derzeit in fast allen Stadtteilen mehr Menschen fort als zu. Besonders in Hassel, Resse, Buer-Ost, Bulmke-Hüllen-Nord und Bismarck-Ost. Prognosen bis zum Jahr 2030 weisen weiteren Bevölkerungsschwund und eine Überalterung, die in Resse, Erle und Feldmark überdurchschnittlich hoch ausfällt, aus.

Kerckhoff hält den sozialen Wohnungsbau für überdimensioniert. Dies sei so in der Form nicht gesund für die Wohnungswirtschaft einer Stadt: „Wir brauchen mehr hochwertigen Wohnraum, auch um Fortzüge entgegenzuwirken.“