Gelsenkirchen.

Der Gelsenkirchener Appell erklang zum ersten Mal im Juli 2012. Seitdem haben nahezu alle Parteien der Stadt, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, ev. und kath. Kirche den Aufruf unterzeichnet. Darin fordern sie Land und Bund auf, zusammen mit lokalen Akteuren einen sozial ausgerichteten Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose aufzubauen. Damit der Appell nicht im bundespolitischen Alltag verhallt, sollen nun die Bürger einbezogen werden. Das Projekt wird damit auf basisdemokratische Beine gestellt.

Wer eine Reaktion aus Berlin bekommen möchte, muss laut rufen. Sehr laut. Daher sollen möglichst viele Gelsenkirchener mit einstimmen. Eine Abfuhr hatten sich die Aktiven nämlich bereits im März von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen eingefangen. Sie erteilte der Gruppe um den ev. Sozialpfarrer Dieter Heisig eine Absage an das Projekt und stellte keinen Sondertopf des Bundes für die Finanzierung zur Verfügung. Dabei könne dieses als Pilotprojekt gegen die drohende Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit gesehen werden, ist Paul Baumann überzeugt. Der Initiator des soziokulturellen Mitmach-Projekts „Steinbruch Demokratie“ sagt: „Wenn wir den Appell umgesetzt bekommen, wäre das auch bedeutend für andere Städte.“

Mehr als nur kleine Maßnahmen für Arbeitslose

In vielen Nachbarkommunen sehe die Lage ähnlich dramatisch aus wie in Gelsenkirchen: „Sechs von sieben Arbeitslosen beziehen Arbeitslosengeld II“, heißt es im Appell. „Daher brauchen wir mehr als nur kleine Maßnahmen für Langzeitarbeitslose“, ist Baumann überzeugt. Ziel sei die Schaffung von bis zu „1000 sozial ausgerichteten Arbeitsplätzen in Abhängigkeit von Förderbedingungen des Bundes und des Landes NRW.“

Wie hoch die Summe der Fördermittel sein müsste, um mindestens 230 Arbeitsplätze aufzubauen, könne nur schwer beziffert werden, sagt Dieter Heisig. „Die Kosten sind abhängig von der Frage wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden und zu welchem Lohn die Menschen arbeiten.“ Denn es gelte, Leistungen, die Arbeitslose beziehen, in feste Gehälter umzuwidmen. Für 230 Leute, die Hartz IV beziehen, wären es ca. 1,8 Mio. Euro, die die Stadt einspart und somit beisteuern könnte. Bleibt eine Finanzierungslücke von 2,3 Mio. Euro jährlich (wir berichteten).

Ob und wie viele Bürger den Appell mittragen, ist für Heisig, Baumann und ihre Mitstreiter selbst eine Art Testlauf: „Trägt es sich demokratisch?“ Heisig: „Wir wollen deutlich machen, dass es nicht nur um ein paar Funktionäre in der Stadt geht, sondern dass die Bürger dahinter stehen.“ Im Wahljahr würden sich so auch die Politiker der Bedeutung bewusst. „Wenn sie eine Absage erteilen, geht diese nicht nur an Funktionäre, sondern an die Bürger“, weiß Baumann. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, gibt es nun Unterschriftenlisten im Internet und in den Geschäftsstellen der beteiligten Institutionen. Diese liegen bis zum 2. Oktober aus.