Gelsenkirchen. . Chronik einer Hängepartie: Der starke Wind verzögerte die Verlegung von Trägern über den Rhein-Herne-Kanal. Nun wird darauf das 40 Meter hohe Gerüst errichtet, von dem aus die Doppelbogenbrücke im Nordsternpark einen neuen Anstrich bekommt. Das Projekt kann je nach Witterung bis November dauern.

Ein Spektakel, das man nicht jeden Tag sieht: Mit einem 220 Tonnen schweren Schwimmkran wurden am Wochenende zwei 63 Meter lange Stahlträger, im Fachjargon „Röhre“ genannt, über den Rhein-Herne-Kanal verlegt. Der Korrosionsschutz der Bogenbrücke wird erneuert. Warum das Projekt je nach Witterung bis November dauern kann und stolze 1,6 Millionen Euro verschlingt, wurde bei dem Aufwand schnell klar. Die Chronik einer Hängepartie.

4 Uhr: Mit 14 Mann und schwerem Gerät rückt die erste Schicht der Firma Weise auf dem Nordsterngelände an. Die Dortmunder sind Experten für Brückensanierungen. Noch ist Zeit für „Spässken“ zwischen Schalkern und Borussen. Der Kranführer räumt seinen BVB-Altar im Führerhaus auf.

"Das wird Maßarbeit"

6 Uhr: Kanalsperrung. Der monströse Schwimmkran mit dem passenden Namen „Grizzly“ bringt sich in Position. Am Ufer liefern Tieflader die Teile der ersten Vorschubröhre an. Die dient später als Tragebalken für ein Arbeits- und Schutzgerüst. Da die Brückenbögen gesandstrahlt werden, ist es mit einer Hebebühne nicht getan. Es darf kein Material ins Wasser fallen.

10.15 Uhr: Die Röhrenteile sind geliefert und liegen aufgebockt parallel zum Kanal. Ein Verbindungsstück macht den Monteuren zu schaffen. Die erste Verzögerung des Tages. Der Nieselregen trägt nicht zur Stimmung bei.

12 Uhr: Die Röhre ist weitestgehend montiert. Nun muss das Stahlmonster punktweise mit Gewichten belegt werden, damit der Kran es ohne Schräglage unter der Brücke hinweg heben kann. Projektleiter Heiko Tomshöfer: „Wir haben nach oben hin 20 Zentimeter Platz, das wird Maßarbeit.“

Schaulustige diskutieren Aktion

16 Uhr: Sicherheitsmann René Dedaj sperrt die Brücke für Fußgänger und Radfahrer. Geduldig erklärt er den Neugierigen, was da unten von statten geht. Die besser informierten Besucher diskutieren angeregt über den immensen (Kosten-)Aufwand, der für eine Brücke trotz leerer Kassen betrieben wird.

16.05 Uhr: Der 240 Tonnen „Grizzly“ lässt die Muskeln spielen. Erstmals schwebt die 110-Tonnen-Röhre ein paar Zentimeter über dem Boden. Allerdings schief. Ausgleichsgewichte müssen her.

16.35 Uhr: Das Manöver beginnt. Die Röhre muss um 90 Grad eingeschwenkt und an den Ufern in einer Spezialvorrichtung mit Bolzen befestigt werden. Alles ohne die Brücke zu beschädigen. Die Windangriffsfläche ist riesig, der Träger schlägt regelrecht aus.

Vorbereitungen laufen auf Hochtouren

16.50 Uhr: Nichts für schwache Nerven und Arbeitsschutzbeauftragte: Mit einem Seil versuchen fünf Männer den Stahlkoloss einzufangen. Zwar sind am Rand Puffer errichtet worden, „aber das wäre unsanft geworden“, so Heiko Tomshöfer. Als das „Lasso“ dann auch noch reißt, wird eilig ein Spanngurt besorgt und der Träger an einem Spezialstapler befestigt.

18 Uhr: Zwei Stunden hat der Wind schon gekostet. Die schwierigste Arbeit beginnt aber erst. Der Stahlträger wird präzise unter der Brücke her bewegt.

19.04 Uhr: Geschafft! Die Röhre liegt auf beiden Seiten auf und wird mit 120-Tonnen-Gewichten an den Enden belastet. Dadurch hebt sich das Konstrukt in der Mitte. Tomshöfer: „Die Durchfahrt für Schiffe mit 5,75 Meter über dem Wasser ist gewährleistet.“ Doch noch ist nicht Feierabend. Die Vorbereitungen für die Frühschicht laufen auf Hochtouren. Denn am Sonntag wurde die zweite Röhre montiert. Diesmal ohne Wind und über zwei Stunden schneller.