Gelsenkirchen. . Kinder der Förderschule an der Antoniusstraße lernten eine Woche lang spielerisch, wie eine Gesellschaft funktioniert – mit Erfolg. Die nächste Spielstadt findet im Paul-Loebe-Haus statt.

Lavendelduft liegt in der Luft – in der Schneiderei werden gefüllte Lavendelsäckchen gefertigt. Eine Etage tiefer, auf der Krankenstation, wird ein Patient vorsorglich gegen die Grippe geimpft. Im Rathaus tagt Bürgermeister Bünyamin (16) mit dem Stadtrat, sie planen das Stadtfest. Was geht in der Förderschule Antoniusstraße vor?

In Kooperation mit dem Projekt „Bildung(s)gestalten“ wurde eine Spielstadt in der Schule errichtet. Sie funktioniert wie das richtige Leben: Es gibt Einwohnermeldeamt, Rathaus und Jobcenter. Arbeiten kann man als Handwerker und im Dienstleistungsbereich, seinen Lohn am Kiosk für Bastel- und Backwerk eintauschen. Bürgermeister und Stadtrat wurden zu Anfang gewählt. Mit dem Versprechen, die Löhne zu erhöhen, konnte Bünyamin die Wahl zum Bürgermeister für sich entscheiden. Dehran, Mohamed und Bahjad (alle 15) haben sich an den Herd getraut und nicht nur Brötchen, Muffins und Schokocrossies für den Kiosk gezaubert, „sondern auch Chili con Carne selbst zubereitet“.

Potenzial zur Berufsorientierung

Die Lehrer greifen selten ein, denn die Kinder sollen ihre Stadt selbst gestalten. „So erfahren sie spielerisch, wie eine Gesellschaft funktioniert“, erklärt Projektkoordinatorin Katia Heibel. Auch, dass nicht immer alles glatt läuft: Anfang der Woche ereignete sich ein Überfall in der Stadt. Zum Glück hatte sich ein Anwalt selbstständig gemacht, den Fall vor Gericht geregelt. „Den Anwaltsjob hatten wir vorher nicht geplant. Toll, wenn die Kinder eigene Ideen einbringen“, sagt Heibel. Sie freue sich sehr, dass das Projekt Spielstadt erstmals an einer Schule durchgeführt wurde, dazu noch so erfolgreich – trotz der anfänglichen Skepsis seitens des Kollegiums: „Das Konzept lässt viele Freiräume für die Kinder, das kann problematisch werden“, erzählt Lehrer Martin Höchst, „viele Schüler gehen jedoch in ihren Berufen auf und entdecken ungeahnte Talente.“

Auch Wolfgang Bort von der Spielwerkstatt Rhinozeros, der seit fast zehn Jahren Spielstädte organisiert, sieht in dem Konzept großes Potenzial hinsichtlich der Berufsorientierung: „Die Kinder werden an Handwerkstätigkeiten herangeführt.“ Dabei gäbe es weder starke noch schwache Kinder, sondern einfach nur falsche Aufgaben. Jeder finde die optimale Aufgabe für sich, und bringe sich so für alle ein.

Eben wie in einer gut funktionierenden Gesellschaft.