Gelsenkirchen. . Hoher Medienkonsum von Jugendlichen wird oft unterschätzt. Stundenlanges Surfen und wachsender Abstand zur Realität können Anfänge einer Sucht sein. Im Rahmen der Aktionswoche „100% (er)leben“ kläre Thoralf Wedig Gelsenkirchener Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Sozialarbeiter auf, wie sie Mediensüchtige erkennen und ihnen helfen können.

Ein paar Mails abrufen, die aktuellen Nachrichten auf dem Smartphone ablesen und schnell noch einmal bei Facebook vorbeischauen: Das sind Dinge, die heutzutage schon zum Alltag dazu gehören. Doch für viele Menschen führt der Konsum von Medien in die Abhängigkeit. „Gerade Jugendliche und junge Erwachsene sind betroffen“, berichtet Katharina Küsgen von der Drogenberatungsstelle. Im Rahmen der Aktionswoche „100% (er)leben“ hatte sie Suchttherapeut Thoralf Wedig aus Köln eingeladen, der die „neue Sucht“ Sozialarbeitern, Lehrern und Ärzten vorstellt.

Wachsender Konsum

„Auch negative Erfahrungen halten nicht vom Konsum ab“, sagt der Therapeut. Es ist ein offener Vortrag. Die Besucher berichten von eigenen Erfahrungen und Wedig versucht, die Situation der Abhängigen zu erklären und einen Behandlungsweg zu finden, den die Teilnehmer als Therapie mitnehmen können. Das ist oft nicht einfach, denn ab wann ist man Mediensüchtig. „Das hängt immer auch ein Stück weit vom Umfeld ab“, berichtet er. Medien gehören zum Alltag dazu, aber wenn ein Kind für mehrere Stunden vor dem Fernseher „geparkt“ wird, damit die Eltern ihre Ruhe haben, fängt damit die Sucht schon an. „Das Kind erlebt Glücksgefühle. Alles ist bunt, flackert und macht tolle Geräusche. Wenn dann noch die Familie drumherum sitzt und das Kind merkt, dass eigentlich alles super ist, gerät es in einen Trott, dieses Gefühl im Laufe der Jahre immer wieder zu erfahren.“

Neu hinzu kommen die mobilen Medien, wie Handys, Smartphones oder Tablet-PCs. Wenn das Internet zur zweiten Realität wird, ist das Abtauchen ganz einfach: Ob in der Schule, im Bus oder noch mal schnell abends vor dem Schlafengehen, immer bringt das Internet Neuigkeiten, die von den Problemen im Alltag ablenken.

Projektwoche ohne Handy - „Das war die Hölle“

Astrid Tenhake ist Sozialarbeiterin. Sie sieht, dass der Bedarf, den verantwortungsvollen Umgang mit Medien zu erlernen, da ist. „Ich mache mit bei einem Projekt zur Ausbildung von Medienscouts. Da habe ich eine Gymnasiastin der 11. Klasse getroffen, die ein Medienscout ist. Und obwohl sie weiß, worauf es beim Umgang ankommt sagt sie, sie könne sich einen Alltag ohne Medien nicht vorstellen.“ Die Schülerin habe im Rahmen einer Projektwoche das Handy eine Woche lang abgeben müssen. „Das war die Hölle“, beschreibt sie das Gespräch. Immer wieder hatte sie das Gefühl, etwas zu verpassen.

In diesen Fällen rät Katharina Küsgen immer wieder: „Nichts ist so wichtig, dass man 24 Stunden am Tag erreichbar sein muss. Gönnt euch Auszeiten!“ Doch auch wenn man den Konsum von Medien gering hält, sie sind überall vertreten und eine klassische Abstinenz dazu zu halten, ist fast unmöglich.

Zu viel, zu lange und zu oft im Internet

Anhaltspunkte für Mediensucht können u.a. sein: Toleranz- und Kontrollverlust, Realitätsentfremdung und die klassischen Entzugserscheinungen. Es gibt 4 Typen: A hat kaum Kontakte außerhalb des Internets. B checkt regelmäßig Neuigkeiten. C lebt in zwei Welten und D schlägt im Internet die Zeit tot.