Gelsenkirchen. . Den Schock beim Anblick ihrer Wohnung hat das Ehepaar Kirchner noch nicht überwunden. In einer Nacht- und Nebel-Aktion haben die Mieter die Wohnung verlassen - und ein Schlachtfeld hinterlassen. Wohin die Mieter sind? Das vermag das Ehepaar nicht zu sagen. Und das Jobcenter verweist auf den Datenschutz.
Von außen ein adrettes Mehrfamilienhaus in Erle. Doch hinter der Wohnungstür raubt es einem den Atem, obwohl schon alle Fenster aufgerissen sind. Eberhard (74) und Ursula Kirchner (73), Besitzer des Hauses, erkennen die Räume im Parterre nicht wieder: Die 80 Quadratmeter große Wohnung gleicht mehr einem Schlachtfeld.
Der Fußboden ist völlig verschmutzt, die Küche verdreckt, Armaturen sind herausgerissen, im Kinderzimmer türmt sich der Müll und über den Zustand der Toilette schweigt man besser. Der 40 Quadratmeter große Kellerraum ist bis zur Decke vollgepackt, so dass man ihn nicht betreten kann. Das Ehepaar hat den Kaffee auf: Zum zweiten Mal hat es Ärger mit einem Mieter, der vom Jobcenter finanziert wird.
Jobcenter verweigert Auskunft
Den Schock beim Anblick der Wohnung hat das ältere Ehepaar noch nicht überwunden. In der Wohnung der vierköpfigen Familie (zwei Kinder) hätten zwei Terrarien mit exotischen Echsen gestanden, etliche Katzen und - bis vor einem Jahr - ein großer Hund gelebt. In einer Nacht- und Nebel-Aktion verließ die Familie die Wohnung. Wohin? Das vermag das Ehepaar nicht zusagen.
Sie haben versucht mit dem Jobcenter Gelsenkirchen Kontakt aufzunehmen. Vergeblich. Das habe jegliche Auskunft verweigert und auf den Datenschutz verwiesen. „Dabei wollten wir nur klären, wie es möglich ist, dass das Jobcenter solche Wohnungswechsel auch noch finanziert“, sagt Ursula Kirchner. Geld, dass die ohnehin klamme Kommune Gelsenkirchen an anderer Stelle dringender benötige. Überall werde von der Politik Transparenz eingefordert, nur nicht in diesem Fall.
Datenschutz verhindert Transparenz
„Der Datenschutz trägt in der Tat nicht zur Transparenz bei“, bestätigt Susanne Aust, Sprecherin des Jobcenters. „Wir dürfen keine Daten an den Vermieter weitergeben.“ Zudem räume das SGB II nicht die Möglichkeit ein, „dass wir als Jobcenter kontrollieren, was der Kunde mit dem Geld macht.“ Dahinter stecke das Ansinnen, den Leistungsempfänger als mündigen Bürger zu sehen. Deshalb überweise das Jobcenter die Miete auch nicht automatisch an den Vermieter. Gleichwohl erhalte dieser die ausstehende Miete. „Decken wir den Leistungsmissbrauch auf, behält das Jobcenter 10 % vom Regelsatz für die Mietnachzahlung ein.“
Kirchners wollen jetzt den Müll abtransportieren lassen. Die Wohnung muss grundgereinigt und renoviert werden. Das sind Kosten von vielen tausend Euro. Das Mietshaus sollte eigentlich ihre Altersversorgung sein, erzählt das Ehepaar. „Aber wenn das so weitergeht...“