Gelsenkirchen. . Gefälligkeiten, wie blaue Säcke mit weiterem Müll mit zu entsorgen, gehören ab jetzt in Gelsenkirchen der Vergangenheit an. Wer in Zukunft mehr Müll produziert als in die Mülltonne passt, muss zahlen oder damit rechnen auf dem Abfall sitzen zu bleiben.

Nach dem Korruptionsskandal bei Gelsendienste setzt der Entsorger nun auf „Null-Toleranz“. Den Mitarbeitern ist es ab sofort untersagt, neben der ordnungsgemäßen Leerung der farbigen Abfallbehälter (grau, blau, braun, gelb) in einem Schwung noch etwas anderes – also „unter der Hand“ – zu entsorgen. Wer also neben die graue Restmülltonne noch einen blauen Sack mit zusätzlichem Unrat abstellt – vielerorts gang und gäbe – bleibt darauf sitzen; es sei denn, der Kunde verpackt den zusätzlichen Müll in einen gebührenpflichtigen grauen Abfallsack (3 Euro).

Mitarbeiter im Gewissenskonflikt

„Wir haben jetzt die Reißleine gezogen“, sagt Gelsendienste-Betriebsleiter Uwe Unterseher-Herold entschlossen. Ständig hätten die Mitarbeiter in einem Gewissenskonflikt gestanden. „Ihre Hilfsbereitschaft steht im krassen Gegensatz zu ihrem Auftrag. Um niemanden zu verprellen, sei oft ein Auge zugedrückt worden. Und das sei mal mit ‘nem Kaffee, mal mit einem belegten Brötchen oder eben auch mal mit einem Handgeld belohnt worden. „Doch damit ist jetzt Schluss.“

Moral ist die eine Seite, das lukrative Geschäft mit den Resten der Konsumgesellschaft die andere. Die rote Linie bei Gelsendienste wurde natürlich auch aus finanziellen Erwägungen gezogen. „An 250 Tagen im Jahr fahren 18 Mülllastwagen 1000 Anfahrtsstellen an. Wenn dabei nur 20 zusätzliche (graue) Säcke darunter sind, so macht das ein hübsches Sümmchen, das uns als städtisches Wirtschaftsunternehmen entgeht“, rechnet der Versorgungsingenieur vor. Exakt sind das: 270.000€. Die Dunkelziffer und damit der entgangene Umsatz dürften seinen Worten nach aber noch wesentlich größer sein.

Anordnung konsequent umsetzten

Müllwerker Roland Weinreich (56) bewertet im Beisein seines Vorgesetzten die Anordnung nicht, will sie aber konsequent umsetzen, klar: „Die Ansage ist eindeutig, also machen wir das ab jetzt auch so.“ Und was tun, wenn Beschwerden kommen, der langjährige Kunde weiter auf die kleine Gefälligkeit ab und zu beharrt? „Beschwerden werden kommen, das ist sicher“, sagt Weinreich. Zur Not müssten die Kunden sich an die Geschäftsführung von Gelsendienste wenden, er und seine Kollegen hätten damit nichts zu tun, sie seien ja bloß Ausführende.

„Außerdem“, sagt Roland Weinreich, „wird doch kein Kunde im Regen stehen gelassen, wenn zu besonderen Ereignissen – große Feier oder Renovierung – mehr Abfall angefallen ist, der nicht mehr in den Müllbehälter passt. Dann füllt der Mieter oder Wohnungseigentümer eben vor Ort eine Abholanweisung aus und bekommt für die Entsorgung später dann eine Rechnung.“

Einen Ermessensspielraum, so die Botschaft, bekommt selbst die betagte alte Dame nicht, die morgens noch schnell ‘was neben die Tonne für den Müll stellt.

Ausbau der Verkaufsstellen

Gelsendienste hat angekündigt, ein umfassendes Netz an Verkaufsstellen für gebührenpflichtige graue Säcke (3 Euro) aufbauen zu wollen. „Unser Ziel ist es, dass jeder Anwohner im Umkreis von einem Kilometer solch’ einen Abfallbeutel erwerben kann“, sagt Gelsendienste-Betriebsleiter Uwe Unterseher-Herold.

Verkaufsstellen

- Bürgerbüro, Husemannstraße 32, Altstadt

- Bürgerbüro Rathaus Buer, Goldbergstraße 12, Buer

- Toom Baumarkt, Sperberstraße 21a, Buer

- Gelsendienste, Betriebshof Adenauerallee 115, Erle

- Pressewelt Fuhrmann, Fersenbruch 22, Heßler

- Edeka, Fersenbruch 28, Heßler

- Trend-Shop, Horster Straße 313, Horst

- Bürgerbüro, Schloßstraße 35, Horst

- Gelsendienste, Betriebshof Wickingstraße 25a, Neustadt

Eine aktualisierte Liste, an welchen Punkten in Gelsenkirchen graue Säcke bereits zu bekommen sind, ist in der Tabelle links aufgeführt. Hintergrund: Am vergangenen Mittwoch hatten sich zahlreiche Leser in der WAZ-Redaktion darüber beschwert, dass die in der Zeitung veröffentlichte Aufzählung mehrheitlich Verkaufsstellen ausgewiesen hatte, an denen die grauen Müllbeutel gar nicht mehr zu bekommen sind.

Die graue Tonne

Was gehört eigentlich in die graue Tonne? Nach Auskunft von Gelsendienste eine ganze Menge. Und zwar: Straßen- und Hauskehricht, Kohlenasche, Fotopapier (Postkarten), Hygieneartikel, Grillasche, Glühbirnen, Staubsaugerbeutel und -filter, Zigarettenkippen und -asche, Porzellan, Rückstände aus Kleintierhaltung, Kerzen, Keramik, Hausratkleinteile, Tapetenreste, hitzefestes Glas, Windeln, Putzlappen, Spielzeug (soweit nicht Papier oder Elektronikschrott), verschmutzte Verpackungen (mit Lebensmittelresten), verschmutztes Papier, verdorbene Lebensmittel, Lederreste sowie behandelte Holzreste.

Nicht in die so genannte Restmülltonne gehören: Rigips, Steine, Problemabfälle, Sand, flüssige Abfälle, Wertstoffe, Leuchtstoffröhren und Elektrogeräte.