Essen.

Wer nur die Namen im Aushang liest, der könnte sich seit einigen Monaten bei der von Richter Jörg Schmitt geleiteten Kammer an ein Familiengericht erinnert fühlen. Tatsächlich sitzt er aber der XV. Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Essen vor, muss sich allerdings seit Montag um das dritte Mitglied einer Gelsenkirchener Gerüstbauerfamilie kümmern.

Das Familienoberhaupt steht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor Gericht, nachdem in der Vergangenheit schon dessen 53 Jahre alte Ehefrau und die 35 Jahre alte Tochter vom Landgericht Essen bestraft wurden. Die Ehefrau kassierte zwei Jahre Haft mit Bewährung, die Tochter muss sogar für zwei Jahre und vier Monate ins Gefängnis.

Eine Bewährung war bei ihr angesichts dieser Strafhöhe nicht mehr möglich. Bei ihr hatte die XV. Kammer im Urteil am 19. April allerdings strafmildernd berücksichtigt, dass sie in eine Familie hineingeboren sei, „in der Steuerhinterziehung schon immer eine Rolle spielte“.

Schwarzarbeiter und Arbeiter mit geringem Verdienst

Jetzt also der 57-Jährige, der zu den Taten von Frau und Tochter Beihilfe geleistet haben soll. Früher war er der eigentliche Chef der Firma. 2002 beziehungsweise 2006 traten allerdings Tochter und Frau in seine Fußstapfen als Geschäftsführerinnen neu angemeldeter Firmen, die zum Teil den Firmensitz gewechselt hatten.

Nach Erkenntnis der Steuerfahnder blieb Gelsenkirchen aber weiterhin Zentrum der Geschäftsaktivitäten. Insgesamt, rechnet man die einzelnen Punkte der Anklage zusammen, sollen von 2005 bis 2008 rund zwei Millionen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen hinterzogen worden sein. Schwarzarbeiter seien beschäftigt worden, andere Arbeitnehmer mit so geringen Verdiensten angemeldet worden, dass sie manchmal nur auf ein offizielles Monatseinkommen in Höhe von 100 Euro kamen.

Der jetzt Angeklagte soll dafür gesorgt haben, dass ein befreundeter Geschäftsmann Scheinrechnungen für die Buchhaltung erstellte. 3000 Euro soll dieser monatlich für diese Dienste kassiert haben. Ob der 57-jährige Familienvater sich zu den Vorwürfen bekennt, ist fraglich. Nach einem längeren Rechtsgespräch der Prozessbeteiligten sagte der gesundheitlich angeschlagene Mann nur, dass er sich für den nächsten Prozesstag überlegen werde, vor Gericht eine Erklärung abzugeben.