Essen. Für 2080 strafbare Handlungen muss sich ein Essener Rechtsanwalt vor dem Landgericht verantworten. Der Vorwurf: Er hatte eine Firma gegründet, die Angebote an Unternehmen verschickt, die so sehr einer Rechnung ähnelten, dass erst bei genauerem Hinsehen klar wurde, dass es sich nur um Angebote handelte.

Es geht um Betrug und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Auf der Anklagebank der XV. Strafkammer des Landgerichtes sitzen vier Männer und zwei Frauen. An der Spitze ein Essener: ein 59-jähriger Anwalt aus Steele.

Eine gute Stunde braucht Staatsanwalt Thomas Merz, um die Anklage zu verlesen. Hinter der Richterbank stapeln sich die Aktenordner im Regal. Sieben neue sollen noch in den letzten Tagen dazugekommen sein. Dem smarten Essener Anwalt werden 2080 strafbare Handlungen vorgeworfen. Er und ein 50-jähriger Mitangeklagter aus Bad Kreuznach mit 1428 Tatvorwürfen sitzen in Untersuchungshaft.

Und das ist laut Staatsanwaltschaft die Grundidee für die Betrügereien: Der Anwalt soll sich Anfang 2008 mit mutmaßlichen Mittätern zusammengetan haben, um ein Unternehmen zu gründen, das an verschiedene Firmen und Einrichtungen Angebote verschickt, die den irrtümlichen Eindruck erwecken konnten, dass man durch Zahlung von 697,34 Euro in eine kostenpflichtige Gewerbedatenbank eingetragen würde. Die Angebote, so die Anklage, waren rechnungsähnlich aufgemacht, so dass es sich erst bei genauem Hinsehen herausstellte, dass es sich nur um Angebote handelte. Die so erzielten Einkünfte sollen die Angeklagten außerdem nicht versteuert haben.

Starke Sicherheitsmaßnahmen

Der Essener Anwalt soll vor allem für die rechtlichen Angelegenheiten der Firma zuständig gewesen sein. Das bedeute, dass er sich unter anderem um Reklamationen von Kunden und Zahlungsrückforderungen gekümmert haben soll, sowie um die Konzeption der Schreiben. Die Kammer unter Vorsitz von Jörg Schmitt hat für den Prozess dreizehn Verhandlungstage terminiert. Gestern gab es in erster Linie Rechtsgespräche, die womöglich zu einem baldigerem Abschluss führen könnten.

Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen vor und im Saal 101 haben direkt mit dem Prozess nichts zu tun: Sie gelten einem der Angeklagten, der unter anderem von drei Personenschützern begleitet wird, weil er in einem anderen Prozess als Kronzeuge auftritt. Ein weiterer Angeklagter wird von einem „prominenten“ Juristen und Neuanwalt vertreten: Hajo Regul, ehemaliger Senatsvorsitzender des Oberlandesgerichts Hamm, der nach seinem Eintritt in den Ruhestand die „Seiten wechselte.“