Gelsenkirchen.
Undankbar, leichtsinnig, kurzsichtig: August Halbfells Vater Simon werden viele solcher Attribute durch den Kopf gegangen sein, als sein Sohn 1904 die vergleichsweise komfortable Buchdruckerlehre abbrach, um 15-jährig doch den gefährlichen Beruf des Bergmanns zu ergreifen. Dass dieser es zum ersten NRW-Arbeitsminister bringen würde, konnte der Mann ja nicht ahnen. Dass der Junior von den Nazis verfolgt und ins KZ deportiert werden würde, zum Glück aber auch nicht, wie Prof. Dr. Stefan Goch als Leiter des Instituts für Stadtgeschichte (ISG) für die Serie „Stadtgeschichte ganz persönlich“ von WAZ und ISG recherchiert hat.
Im Kriegslazarett hielt er Vorträge
1889 in Linden bei Bochum in eine politische Familie hineingeboren – sein Vater, ein Bergmann, war eines der ersten Mitglieder des sozialdemokratischen „Alten Verbands“ –, zeigte Halbfell früh berufliche Ambitionen: Nach der Ausbildung auf Zeche Zentrum 4/6 in Bochum wechselte er nach entsprechendem Lehrgang als Grubensteiger 1913 zur Zeche Scholven.
„Im Lazarett in Frankreich, wo er als Kriegsfreiwilliger schwer verwundet worden war, machte er mit Vorträgen über den Steinkohlenbergbau auf sich aufmerksam. So versetzten ihn seine Vorgesetzten nach Serbien und in die Türkei, damit er den deutschen Verbündeten beim Aufbau des Bergbaus half“, berichtet Historiker Goch.
Halbfell wurde SPD-Stadtverordneter
Nach Kriegsende als Steiger zurück auf Zeche Scholven, wurde Halbfell 1918 SPD-Mitglied in Buer und avancierte als Vertreter der SPD-orientierten Gewerkschaft „Bund der technischen Angestellten und Beamten“ zum Aufsichtsrats-Mitglied des Reichskohlensyndikats. „Ab 1922 veröffentlichte er viele Artikel zu Fragen von Löhnen, Arbeitszeiten und Leistungen im Ruhrkohlenbergbau“, so Goch.
Ab 1924 engagierte sich Halbfell als gewählter SPD-Stadtverordneter in der Lokalpolitik von Buer, nach der Vereinigung mit Gelsenkirchen und Horst 1928 in der der neuen Großstadt.
NS-Schläger stürmten sein Haus
Seine neue Position des Gelsenkirchener Arbeitsamtsleiters konnte Halbfell freilich nur bis zum 11. März 1933 ausüben. In einer „außergewöhnlich wilden Aktion von SA und Hilfspolizei“, so Goch, wurde Halbfell vorübergehend in Schutzhaft genommen und erhielt dann die Kündigung. Dies war der Auftakt zu einer brutalen Verfolgung des Sozialdemokraten: Ostern 1933 stürmten NS-Schlägertrupps sein Haus, die Flucht zur Kriminalpolizei endete in polizeilicher „Schutzhaft“ und Deportation ins KZ Esterwegen, wo er bis Anfang 1934 inhaftiert blieb.
Nach der Entlassung bewies Halbfell Geschäftssinn, als er an seinem neuen Wohnort Essen eine Feinkostfabrik mit bald 60 Beschäftigten aufbaute – unter den wachsamen Augen der Nazis, versteht sich. Mehrfach wurde er verhaftet und verhört, kam aber wieder frei. Und startete 1945/46 mit neuem Mut durch zu einer Karriere, von der auch das Land NRW profitierte.