Gelsenkirchen. Anton Stankowskis grafische Arbeiten hängen in internationalen Museen, seine Wurzeln hatte er jedoch in Gelsenkirchen. Wie er vom Dekorationsmaler zum Künstler mit Weltruf avancierte, skizziert der 6. Teil der Serie „StadtGEschichte“.

„Ob Kunst oder Design ist egal – nur gut muss es sein“: Die Grenze zwischen freier und angewandter Kunst, sie existierte für Anton Stankowski (1906-1998) nicht. Werbung? Auch davor hatte der in Gelsenkirchen geborene Maler und Grafiker keine Angst, der im Mittelpunkt des 6. Teils der Serie „StadtGEschichte – ganz persönlich“ von WAZ und Institut für Stadtgeschichte (ISG) steht.

Wie gering Stankowskis Berührungsängste in Sachen Reklame waren, lässt sich nahezu täglich beim Spaziergang durch ein beliebiges Bankenviertel besichtigen: Er entwickelte das blau-weiße Logo der Deutschen Bank, aber auch das der Münchener Rück-Versicherung, des Süddeutschen Rundfunks sowie der Lebensmittelkette Rewe, so ISG-Historiker Dr. Holger Germann.

Zu diesem Zeitpunkt war der Sohn eines Zeche-Alma-Bergmanns seiner Heimatstadt längst entwachsen: Nach einer Lehre als Dekorationsmaler studierte er ab 1927 an der Essener Folkwangschule Grafik und Typografie bei Prof. Max Burcharz, der auch die farbliche Ausgestaltung des Hans-Sachs-Hauses vornahm. An dessen frühem Farbkonzept war Stankowski beteiligt.

Jahre in der Schweiz

1929 drängte es ihn in die Schweiz. Dort trat er eine Stelle bei einer Werbeagentur an und kam in Kontakt zu Züricher Konkreten wie Richard P. Lohse, Verena Loewensberg oder Max Bill. Dabei entwickelte er auch seine „konstruktive Grafik“. Als ihm 1934 die Arbeitserlaubnis entzogen wurde, kehrte er wieder nach Deutschland zurück und eröffnete 1937 in Stuttgart als Selbstständiger ein Grafik-Atelier. In diese Stadt zog es ihn auch nach seinem Einsatz als Soldat an der Front und der russischen Gefangenschaft: Bevor Stankowski 1951 dort erneut ein eigenes grafisches Atelier gründete, arbeitete er bei der „Stuttgarter Illustrierten“ kurz als Journalist, Fotograf und Graphiker. Er war eben ein Mann mit vielen Talenten.

Mittlerweile hatte Stankowski sich mit seiner Gestaltungslehre einen Namen in der Szene gemacht. Sie beinhaltete nicht weniger als den nahezu revolutionären Ansatz, Gestaltung nicht nur unter künstlerischen, sondern auch unter funktionalen Kriterien zu sehen – damals undenkbar. Hatte Kunst bis dahin als Unikat gegolten, setzte sich Stankowski nun mit einer neuen, seriellen Gestaltung und Visualisierung klarer Inhalte auseinander, die sich mit herkömmlichen Mitteln nicht darstellen lassen, so Peter von Kornatzki von der Stankowski-Stiftung Stuttgart.

So bahnbrechend diese Auffassung war, so viele Schüler zog Stankowski an: Er erhielt einen Lehrauftrag an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Wegen seiner Verdienste verlieh ihm das Land Baden-Württemberg später den Titel „Professor“.

Documenta-Künstler

Auf seinen Bekanntheitsgrad deutet nicht zuletzt auch die Tatsache, dass Stankowski 1964 bei der „documenta“ in Kassel, der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst, Arbeiten präsentieren konnte. Er schrieb etliche Bücher, wandte sich dann auch der Malerei zu.

„Seine Heimatstadt Gelsenkirchen würdigte den Künstler relativ spät“, so Historiker Dr. Germann. Erst 1977 widmete das Städtische Museum ihm erstmals eine Retrospektive, der weitere Ausstellungen folten. „Verschnupft“ reagierte der Künstler darauf nicht: „Er bedachte das Museum mit einer so großzügigen Schenkung, dass sein Werk heute einen Schwerpunkt der Sammlung darstellt.“

Baden-Württemberg blieb freilich Stankowskis Wahlheimat: Dort starb er am 11. Dezember 1998 in Esslingen.