Essen. . Mit dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 nahm eine Hetzjagd ihren Lauf, die mit der Verhaftung des geständigen holländischen Linksextremisten Marinus van der Lubbe begann. Bis 1945 sollten 20000 Kommunisten im Widerstand gegen das Nazi-Regime ihr Leben lassen.

Wo Irrtum und Tod zusammenkommen, entsteht eine Tragödie. Der Irrtum bestand im Falle der deutschen Kommunisten darin, dass ihre tonangebenden Leute die Machtergreifung der Nazis eigentlich begrüßten. Denn schematisch wie sie dachten, konnte die Kanzlerschaft eines Mannes wie Hitler nur bedeuten, dass das System vor dem Kollaps stand – und die Revolution nun nicht mehr fern war. Aber dann kam alles ganz schnell ganz anders. Reichstagsbrand, Hetzjagd, tausendfaches Morden: 20 000 deutsche Kommunisten fanden bis 1945 im Widerstand gegen das Nazi-Regime den Tod.

Am Abend des 27. Februar 1933 schlugen die Flammen aus dem Plenarsaal des Reichstags. Sie waren kaum gelöscht, da war der holländische Linksextremist Marinus van der Lubbe schon als geständiger Täter vernommen - und die Polizeikräfte überall im Reich bekamen Anweisung, führende Kommunisten zu verhaften. „Es gibt jetzt kein Erbarmen“, sagte Hitler. „Alles ist festzusetzen, was mit den Kommunisten im Bunde steht“

Die Listen mit den Namen der zu verhaftenden Kommunisten lagen schon lange vor Hitler in den Schubladen der Polizeibehörden. So hatten die Nazis leichtes Spiel. In Dortmund waren noch am selben Abend 52 KPD-Mitglieder gefasst. Binnen einer Woche saßen in den größeren Ruhrgebietsstädten mehrere hundert Kommunisten hinter Gittern. Die Haftanstalten quollen über, und so entstanden wilde Gefängnisse, Folterkeller und die ersten Konzentrationslager.

Stuhlbeine, Gummiknüppel, mit Sand gefüllte Schläuche

In Witten zum Beispiel hatte die SS schon im Februar einen Flügel der Schillerschule angemietet. Am Tag nach dem Reichstagsbrand wurden 28 Wittener Kommunisten verhaftet und in Schutzhaft genommen. Was Schutzhaft bedeutete, macht der Historiker Ralph Klein deutlich, wenn er die Schillerschule als „Prügelstätte der lokalen SA und SS“ bezeichnet. In Witten hieß sie „Tränenkeller“. Hier lagen Stuhlbeine, Gummiknüppel, sandgefüllte Gummischläuche, Gürtel mit Koppelschlössern und Schusswaffen bereit. KPD-Mitglied Heinz S. wurde im Tränenkeller bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. Später zog ein SA-Mann seine Dienstwaffe und schoss auf ihn. Heinz S. überlebte schwer verletzt und konnte nach dem Krieg bei der Staatsanwaltschaft Bochum aussagen.

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Die Schillerschule war kein Versteck, sie stand direkt neben dem Rathaus. Die Schillerschule war auch kein Einzelfall. In jeder Ruhrgebietsstadt gab es solche Orte. Besonders bekannt wurde die Steinwache in der Dortmunder Nordstadt, die „Hölle Westdeutschlands“. 2000 Menschen wurden hier 1933 eingeliefert, 100 wurden ermordet. Über die Verhaftungen berichteten sogar die Zeitungen. „Vorbehalte gegen die Kommunisten waren in bestimmten Teilen der Bevölkerung weit verbreitet“, sagt Daniel Schmidt vom Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte.

Kommunisten und Nationalsozialisten hatten sich in den 20er- und frühen 30er-Jahren mit Überfällen, Straßenschlachten und Attentaten bekriegt. Auf Augenhöhe. Damals gab es im Ruhrgebiet noch kompakte Arbeiterviertel wie den Essener Segeroth oder das Gelsenkirchener Olga-Viertel. Kein Nazi hätte sich in Uniform in die von den Kommunisten beherrschten Straßen getraut, doch das änderte sich, als Hitler Reichskanzler wurde. Mit ein, zwei Erlassen beförderte er SA, SS und Stahlhelm zur Hilfspolizei. Jetzt hatten sie Schutzpolizisten an ihrer Seite und trauten sich auch in die Straßen der KPD – mit Schusswaffen, die sie von der Polizei bekommen hatten.

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Nach dem Reichstagsbrand durchkämmten die Nazis in den Arbeitervierteln Haus für Haus, Wohnung für Wohnung, verprügelten und verschleppten die Männer. „Das war ein riesiger Schock für die Kommunisten“, sagt Historiker Schmidt. „Sie mussten auf einmal erkennen, dass es auf ihrem eigenen Terrain keinen Schutz mehr gab.“ Die größte Razzia gab es im Mai in Düsseldorf, wo die Kommunisten in einem „Schandmarsch“ durch die Stadt getrieben wurden. Mitgliedern der kommunistischen Musikkapelle hatte man Trommeln über den Kopf geschlagen.

Viele Polizeibeamte hatten nur darauf gewartet

So wurden die Kommunisten die ersten Opfer des Nazi-Regimes. Sie zu vernichten, entsprach dem Bedürfnis der Nazis nach Rache. Zugleich war das Vorgehen von SA und SS strategisch: Indem sie zuerst auf die Kommunisten losgingen, konnten sie die staatliche Polizei als Partner gewinnen, denn die Mehrheit der Polizisten pflegte eine tiefe Feindschaft zu den Kommunisten. „Es galten nun Dinge als machbar, von denen mancher Beamte wenige Wochen zuvor nur geträumt hatte“, sagt Daniel Schmidt. Polizisten, die die Betroffenen vor Verhaftung warnten, blieben die Ausnahme.

So formten die Nazis die Polizei zu einem Werkzeug, mit dem sie dann auch gegen andere Gruppen vorgehen konnten. In einem Tempo, das allen den Atem raubte. Nur eine Woche nach dem Reichstagsbrand war die SPD an der Reihe.