Gelsenkirchen.
Es fällt mitunter schwer, die Politik der rot-grünen Landesregierung nachzuvollziehen. Nachdem zwei Stärkungspaktstufen für finanzschwache Kommunen auf den Weg gebracht worden sind, Gelsenkirchen nimmt an der nicht ausfinanzierten Stufe 2 teil, rauscht jetzt ein von der Koalition in Auftrag gegebenes Gutachten durch die Städte und treibt Bürgermeistern wie Kämmerern die Sorgenfalten auf die Stirn.
Und nicht nur denen. „Wer an den Stellschrauben drehen will, muss sich auf Krieg einstellen“, sagt Markus Tons, Sprecher der SPD-Abgeordneten aus der Region. Auch dem Gelsenkirchener Landtagsabgeordneten ist klar: Nimmt man das Arbeitsergebnis des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts (FiFo) Köln über das Gemeindefinanzierungsgesetz, gehen dem Revier künftig rund 200 Mio. Euro pro Jahr verloren; für Gelsenkirchen würde das Minus nach einer ersten Berechnung 26,2 Mio. Euro betragen.
Weniger Ausgleich Bedarfsgemeinschaften
Laut Gutachten wären die Grundlagen der Mittelzuweisung neu zu bewertende Soziallasten und zu verändernde anrechenbare Steuerhebesätze. Gelsenkirchen würde deutlich weniger Ausgleich für die 21 346 Bedarfsgemeinschaften bekommen. Außerdem würde die Stadt bei einer Absenkung des anrechenbaren Gewerbesteuersatzes geringere Einnahmen erzielen. Mit dieser Maßnahme, die reichere Städte künstlich ärmer rechnet, wollen die Gutachter erreichen, die Ansiedlung für Firmen mittelfristig attraktiver werden zu lassen.
„Es handelt sich um ein Gutachten, nicht um einen Gesetzesentwurf. Es gilt aber: Vorsicht an der Bahnsteigkante!“, sagt Oberbürgermeister Frank Baranowski. Wenn der politische Bewertungsprozess laufe, dürfe man nicht hinterherlaufen. „Der Innenminister hat uns wissen lassen, dass die ausgerechneten Zahlen nicht korrekt seien. Das heißt, dass ihm andere Zahlen vorliegen. Die möchten wir sehen, um zu wissen, worüber wir reden.“
Mit Blick auf den Stärkungspakt warnt Kämmerer Georg Lunemann vor den Auswirkungen des Gutachtens, sollte es umgesetzt werden. Er glaubt, dass „das zumindest nicht komplett auszuschließen ist, weil kleinere Gemeinden vor dem Verfassungsgericht gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz klagen“.
Zu Empfängern degradiert
Eine nach dem Gutachten veränderte Situation könnte laut Lunemann dazu führen, dass reiche Städte wie Düsseldorf, die durch Sonderabgaben die noch fehlenden 195 Millionen Euro für die Stufe 2 des Stärkungspaktes aufbringen sollen, zu Empfängerkommunen degradiert würden. Damit wäre die 2. Stufe des Stärkungspakts nicht mehr finanzierbar. „Und wenn wir 2014 über den Stärkungspakt 30 Millionen im Jahr für die Haushaltskonsolidierung bekommen, dafür aber 26 abgeben, würde sich fast alles aufheben.“
Ratsfraktion lehnt Veränderungen ab
Die SPD-Ratsfraktion lehnt die im FiFo-Gutachten vorgeschlagenen Veränderungen zum kommunalen Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen glatt ab.
Die Kürzung der Mittel für strukturschwache Städte mit hohen Soziallasten wie in Gelsenkirchen machten einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2021 unerreichbar, kommentierte Günter Pruin als finanzpolitischer Sprecher der Genossen. Die SPD-Ratsfraktion sieht zudem Diskussionsbedarf und stellte am Freitag einen Antrag für die nächste Sitzung des Hauptausschusses, die am 23. Mai stattfindet.
Für Pruin sind die für die Ruhrgebietsstädte errechneten Konsequenzen völlig inakzeptabel: „Im Rahmen des Stärkungspakts haben wir im letzten Jahr in großer Geschlossenheit einen Weg aufgezeigt, wie der Haushalt in zehn Jahren ausgeglichen werden kann. Das ist ein steiniger Weg auf dem es auch noch viele Unwägbarkeiten gibt. Mit über 26 Millionen Euro weniger vom Land würde die Schuldenfalle sofort wieder zuschnappen.“