Gelsenkirchen. . Manfred Wiktor wollte sich mit dem alten Mehrfamilienhaus ein gutes Einkommen im Alter sichern. Stattdessen muss er nun immer wieder Heizkostennachzahlungen für Mieter übernehmen. Zum Teil für solche, die gar nicht mehr im Haus wohnen. Und auch die Mietzahlungen bleiben häufig aus - aus unterschiedlichsten Gründen.

Eigentlich sollte das Mehrfamilienhaus an der Wilhelminenstraße die Altersversorgung von Manfred Wiktor und seiner Frau Renate sichern. Doch jetzt bedroht es eher die Sicherheit des heute 75-jährigen Ehepaares. Denn die Mieteinnahmen fließen nicht so, wie es sein sollte. Und die Ele schickt den Vermietern eine Mahnung über unbeglichene Heizrechnungen von Mietern nach der anderen. Von Mietern, die gar nicht mehr im Haus leben ebenso wie von solchen, die auf Unterstützung durch die Agentur für Arbeit warten bzw. hoffen.

1984 hatte das bis dahin in Erle zur Miete lebende Paar das Gründerzeithaus gekauft. Zum Teil finanziert mit der Abfindung, die Manfred Wiktor von seinem Arbeitgeber Glas und Spiegel bekommen hatte. Eigentlich müsste Wiktor den jungen Mann unter seinem Dach herausklagen. 500 Euro soll er für ihn an die Ele zahlen für Heizkosten 2012. Und die Miete hat er seit Ende November auch nicht bekommen. Mit der Arge war vereinbart, dass die Miete direkt an ihn als Vermieter bezahlt wird. Das funktionierte auch, solange der junge Mann Unterstützung bekam. Im vergangenen Jahr war dies jedoch für drei Monate nicht der Fall, 2013 ist auch noch kein Geld geflossen.

Ein anderer Mieter war im März 2012 ausgezogen. Die Jahresendabrechnung für dessen Heizkosten muss nun auch Wiktor zahlen. Vertragspartner der Ele kann nur sein, wer einen Gaszähler hat. Und es gibt für das ganze Haus – wie für die meisten älteren Mietshäuser – nur einen. Wollte man das ändern, müsste Wiktor sehr viel investieren. Geld, dass der so gebeutelte Rentner längst nicht mehr hat.

Gutes Verhältnis mit Mietern wichtig

Manfred Wiktor ist nicht böse auf den jungen Mann in seinem Haus, dem der Strom schon abgestellt wurde. Er unterstellt ihm keine Bosheit, auch nicht der Familie, die seit Monaten ebenfalls die Miete schuldig bleibt, weil der Mann als Leiharbeiter zu wenig verdient. Im Gegenteil, er bedauert diese Menschen. Ihm ist ein gutes Verhältnis mit seinen Mietern wichtig. Man duzt sich, alle dürfen den hübsch gestalteten Hof und Grillplatz mitnutzen.

Manfred Wiktor ist so gar nicht der Typ profitgieriger Miethai. Einen ruhigen Lebensabend wünscht er sich. Ein sicheres Auskommen. Wie es nun weitergehen soll, mit den über tausende Euro lautenden Forderungen der Ele und den ausstehenden Mieten: Manfred Wiktor weiß es nicht. Er weiß nur: Er möchte niemanden auf die Straße setzen, zumal auch eine Zwangsräumung nur wieder sein Geld kosten würde. Aber lange aushalten kann er die Unsicherheit auch nicht mehr. Seine Frau würde am liebsten sofort aufgeben.

Vertragspartner kann nur sein, wer einen eigenen Gaszähler hat

Grundsätzlich bekommen Hilfeempfänger – gleich ob Hartz IV nach SGB II oder Sozialhilfeempfänger – das Geld für Miete, Strom und Heizung direkt mit der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgezahlt. Auf Antrag des Hilfeempfängers ist es in Ausnahmefällen möglich, Miete und Heizkostenpauschale direkt an den Vermieter überweisen zu lassen.

Allerdings fließt dieses Geld nur dann, wenn der Leistungsanspruch an die Arge bzw. das Sozialamt hoch genug ist. Verdient der Betreffende zu viel dazu, gibt es andere Einnahmen oder fehlen Unterlagen, geht auch der Vermieter leer aus. Fragt der Vermieter bei Arge oder Amt nach, warum das Geld nicht kommt, bekommt er aus Datenschutzgründen keine Antwort. Damit die Persönlichkeit der Hilfeempfänger geschützt bleibt.

Folker Gebel, Geschäftsführer der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus und Grund, kennt die Sorgen der Vermieter in Gelsenkirchen. Manfred Wiktor ist kein Einzelfall.
Folker Gebel, Geschäftsführer der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus und Grund, kennt die Sorgen der Vermieter in Gelsenkirchen. Manfred Wiktor ist kein Einzelfall. © WAZ FotoPool

Vermieter wie Manfred Wiktor haben wenig Möglichkeiten, an ihr Geld zu kommen. Zwar gibt es bei der Stadt eine Fachstelle für Wohnungsnotfälle. Doch dort können nur betroffene Mieter einen Antrag auf Unterstützung stellen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Denn wenn zwei Monatsmieten ausstehen, darf der Vermieter kündigen.

Auch bei der Ele gibt es keine Hilfe für Manfred Wiktor. Er ist der alleinige Vertragspartner. Ihm wurde mit ausreichend Vorlauf angekündigt, dass sein Mieter die Heizkosten nicht zahlt. 3800 solcher Mitteilungen an Vermieter, dass ein Mieter nicht zahle, verschickt die Ele jeden Monat, so Sprecherin Stephanie Genthe. 3800 Mahnungen, jeden Monat!

Ele verschickt jeden Monat 3800 Mahnungsmeldungen an Vermieter

Die Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus und Grund in Gelsenkirchen mit ihren rund 2000 Mitgliedern kennt Probleme wie die von Manfred Wiktor zur Genüge. „Gerade in Städten wie Gelsenkirchen ist das keine Ausnahme. Viele Vermieter hier sind nicht reich, im Gegenteil. Sie haben sich ein Mehrfamilienhaus hart erarbeitet, als Altersvorsorge. Wenn dann die Mietzahlungen ausbleiben und noch Forderungen für die Heizkosten dazu kommen, wird es für diese Vermieter selbst eng“, weiß Folker Gebel, der Geschäftsführer von Haus und Grund. Andere, solventere Mieter zu finden, ist aber in manchen Stadtteilen kaum denkbar. Selbst wenn die Mieten extrem günstig sind.

„Immerhin tritt im Mai eine Mietrechtsreform in Kraft, die Vermieter etwas besser vor Mietnomaden schützt. Die Vermieter können dann einfach schneller reagieren, wenn jemand die Miete nicht bezahlt. Können die Schlösser austauschen und den Mieter so quasi aussperren. Die Möbel und den Hausrat des säumigen Mieters muss der Vermieter dann offiziell versteigern. Das ist ein Fortschritt, vor allem, weil sich Mietnomadentum für kurze Wohnzeiten nicht lohnt.“

Manfred Wiktor hilft das wenig. Bei ihm geht es nicht um Mietnomaden. Und auf den Heizkosten bleibt er so oder so sitzen.