Gelsenkirchen. Plumpes Anbaggern oder sexuelle Belästigung? Viele Frauen müssen sich im Alltag immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, wo die Grenze zwischen harmlosem Small Talk und anzüglichen Bemerkungen liegt. Durch die Sexismus-Vorwürfe gegen Rainer Brüderle wurde dieses Thema nun auch verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
Eine „Stern“-Journalistin hatte berichtet, dass sich ihr gegenüber der FDP-Politiker vor rund einem Jahr anzüglich geäußert habe. Seither diskutiert ganz Deutschland über den Umgang mit verbaler sexueller Belästigung.
„Sexismus ist grundsätzlich in allen Lebensbereichen ein Thema“, weiß Susanne Fischer von der Gleichstellungsstelle der Stadt. „Generell hat sich hier in den letzten Jahren aber auch das Bewusstsein verändert. Sexismus wird immer öfter als Problem wahrgenommen und betroffene Frauen trauen sich heute eher darüber zu sprechen als es noch vor einigen Jahren der Fall war.“
"Frauen spielen Vorfälle herunter"
Verschiedene Beratungsstellen in der Stadt bieten beispielsweise unterschiedliche Angebote für betroffene Frauen und zeigen, dass man mit diesen Erfahrungen nicht allein ist. Grundsätzlich hätten aber auch heute noch viele Frauen Angst davor, über verbale sexuelle Belästigung zu sprechen. „Wichtig ist es, Menschen dafür zu sensibilisieren, was anzüglich und unangebracht ist. Die Grenzen werden da oftmals ganz unterschiedlich ausgelegt“, so Fischer weiter. Für den einen können das verächtliche Bemerkungen sein, für andere das Begrapschen oder das Aufhängen eines Kalenders, der entblößte Frauen zeigt.
„Viele Frauen trauen sich oft nicht und spielen Vorfälle herunter oder denken, dass ihr Bauchgefühl sie täuschen könnte. In der Regel liegen sie mit ihrem Bauchgefühl aber richtig.“ Wichtig sei es, seinem Gegenüber deutlich zu machen, dass eine Grenze überschritten wurde und das Problem anzusprechen. Falls möglich, sollte der Kontakt abgebrochen werden. Auf keinen Fall sollte man darauf einsteigen und es als lustig runterspielen.
In der Karnevalszeit wird kräftig geflirtet
Gerade in der bevorstehenden Karnevalszeit dürfte das Thema weiterhin eine große Rolle spielen. Nach dem einen oder anderen Gläschen Alkohol können die Grenzen zwischen Altherrenwitzen, plumpen Anmachsprüchen und Anzüglichkeiten schon einmal verwischen. Dabei scheint das Thema im Gelsenkirchener Karneval kein Problem zu sein. Die Karnevalsvereine der Stadt mussten sich bisher selten oder gar nicht mit dem Thema Sexismus auseinandersetzen.
„Ich bin schon viele Jahre dabei und habe bisher noch nie eine Beschwerde erhalten oder von derartigen Vorfällen bei uns gehört“, sagt etwa Anette Schwenzfeier vom KC Astoria 1982 auf Anfrage der WAZ. „Alle sind fröhlich und gut gelaunt. Außerdem kennt man sich in den einzelnen Vereinen gut. Das ist wie in einer großen Familie.“