Hattingen. Die Diskussion über Brüderle und gut gefüllte Dirndl befeuert auch in Hattingen die Debatte über Sexismus. Frauen bieten wortgewandt Paroli.

Einst trug Sonja Henseler die Haare zu einem recht spitzen Dutt auf dem Kopf. Und bekam die Frisur mit der männlichen Bemerkung quittiert, „was Sie auf dem Kopf tragen, hab’ ich in der Hose“. Die Künstlerin, nicht auf den Mund gefallen, wechselte die platte Anmache mit der Bemerkung: „Aber nicht so in Form.“ Und hatte Ruhe.

Was vorgefallen ist zwischen FDP-Politiker Rainer Brüderle und der Stern-Reporterin Laura Himmelreich, wissen die beiden Beteiligten am besten. Und werten es möglicherweise unterschiedlich. Auf jeden Fall hat die Diskussion um ein gut gefülltes Dirndl die öffentliche Debatte über Sexismus angeheizt. Was geht, was ist grenzwertig, wo muss Einhalt geboten werden? Solche Fragen sind Gesprächsthema.

Ein Patentrezept, eine eindeutige Antwort, hat auch Sonja Henseler nicht. Aber Erfahrung mit dem Thema, die die Grenzen des guten Geschmacks mehr als überschreiten. Zum Glück wusste sie sich immer zu wehren. Verbal und auch sonst. „Ich habe negative Erfahrungen gemacht, aber nicht in mich reingefressen“, sagt sie.

So weigerte sie sich schon als Kind erfolgreich, einen Onkel – „der war gar kein richtiger Onkel“ – weiter zu besuchen, der sie gern auf dem Schoß sitzen hatte. Sie besprach den Vorfall in der Familie. Und ging nicht mehr hin.

„Brüderle kann platt, ohne Hintergedanken gehandelt haben“, sagt die Hattingerin. „Ich kann das nicht wissen.“ Was sie weiß ist, dass Frauen sich Verhalten, das ihre eigene Grenze überschreitet, nicht gefallen lassen sollten. Nirgends. Nicht privat. Und auch nicht im Beruf. Nicht gegenüber Vorgesetzten. „Ich würde mir Hilfe holen“, sagt Sonja Henseler.

Wiebke Starosta hatte das noch nicht nötig. Aber sie kennt verbale Übergriffe aus früheren Zeiten, als sie noch in der Kneipe kellnerte. Jetzt betreibt sie das Café Zur Alten Apotheke in der St. Georg-Straße. „Das wird zu 90 Prozent von Frauen besucht.“ Keine Probleme mit Anmache also. Vor zehn Jahren bekam sie als ganz junge Frau aber schon eindeutige Angebote von älteren Herren „mit guter Rente“. Sie hat sie ignoriert. Und wurde nicht mehr behelligt. „Der Gast hat einen nicht anzufassen“, erklärt sie bestimmt. Allerdings könne es beim Servieren schon mal zu einer Berührung der Hände kommen.

Doch auch verbale Belästigung würde sie nicht durchgehen lassen. Und sich vor ihre Mitarbeiterin stellen, falls ihr ein Kunde blöd kommt. Sich wehren, sagt auch Sonja Henseler, und für Konsequenzen sorgen. Und Schluss.

Gleichstellungsstelle will Profi holen

Sexismus: Wo wäre frau mit Problemen besser aufgehoben als im Gleichstellungsbüro? Jutta Dinca aber äußert sich nicht zur aktuellen Brüderle-Debatte und auch nicht zum Thema an sich. Die Gleichstellungsbeauftragte sagt nur so viel: Sie sei dabei, einen Profi für eine Veranstaltung in die Stadt zu holen. „Das ist aber noch nicht spruchreif.“

Das Frauenbüro wurde auf Beschluss des Rates der Stadt Hattingen 1986 eingerichtet, „um die Benachteiligungen in allen Bereichen abzubauen“, steht auf der Homepage. Gehört Anmache, vielleicht noch von Vorgesetzten, nicht dazu? Das Pressebüro verweist bei dem Thema jedenfalls an die Gleichstellungsstelle. Pressesprecher Thomas Griesohn-Pflieger bestätigt Überlegungen einer öffentlichen Veranstaltung gemeinsam mit der VHS, um das Thema aufzugreifen. Möglichst zeitnah. Wer was als Übergriff empfindet, sei auch abhängig von Situationen und Personen. Susanne Wegemann aus dem Pressebüro der Stadt hat keine unangenehmen Erfahrungen gemacht und keine Probleme, Grenzen zu ziehen. Städtische Mitarbeiter können sich auch an Andreas Gehrke und Barbara Skupski-Wyte wenden. Sie sind eine Art Druckventil bei betrieblichen Problemen.