Gelsenkirchen. Weil er bei der Fahrtkostenabrechnung geschlampt hatte, wurde einem Ausbilder beim DGB-Berufsausbildungswerk Gelsenkirchen fristlos gekündigt. Obwohl das Arbeitsgericht die Kündigung erst bestätigte, darf der Mann nun weiterarbeiten - weil das Kündigungsschreiben ihn nicht schnell genug erreichte.
Fast 29 Jahre war ein heute 57 Jahre alter Mann aus Recklinghausen beim DGB-Berufsausbildungswerk Gelsenkirchen als Ausbilder für die Grund- und Fachausbildung im Metallbereich beschäftigt – dann stolperte er über seine eigenen Abrechnungen für Fahrtkosten zum Besuch einer fünfwöchigen Schweißerfachausbildung im Februar und März 2011 in Duisburg. An fünf Tagen dieser Fortbildung war der Metallausbilder gar nicht in Duisburg, hatte aber gleichwohl Fahrtkosten und Tagegeld abgerechnet. Darunter war auch der Rosenmontag, für den der Recklinghäuser dem Arbeitgeber 33 Euro in Rechnung stellte.
Für das DGB-Berufsausbildungswerk war das keine Bagatelle. Und so folgte am 2. Mai 2011 die fristlose Kündigung, nachdem das Integrationsamt in Münster, das wegen einer Schwerbehinderung des Ausbilders von 60 Prozent eingeschaltet werden musste, der „außerordentlichen Kündigung“ zustimmte, weil der Kündigungsgrund nichts mit der Behinderung zu tun hatte.
Erheblicher wirtschaftlicher Schaden
Der Ausbilder griff seinen Rauswurf mit Rechtsanwalt Christof Krings vor dem Arbeitsgericht in Gelsenkirchen erfolglos an. Die Kammer von Gerichtsdirektor Heiringhoff bestätigte die fristlose Kündigung, weil „durch die in erheblichem Umfang falschen Angaben des Klägers und auch wegen dessen nicht ordnungsgemäßer Abmeldung wegen der Fehltage der Beklagten (Berufsausbildungswerk) ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 120 Euro entstanden sei“. (AZ 1 Ca 758/11)
Doch damit war dieser Prozess nicht zu Ende. Ganz im Gegenteil: Der Kläger, der seine Falschabrechnungen durchaus eingeräumt hatte, sie aber auf seine Schlampigkeit zurückführte, legte mit seinem Anwalt Krings Berufung beim Landesarbeitsgericht in Hamm ein. Und die zweite Instanz ging wie die Vorinstanz vom identischen Sachverhalt aus und bescheinigte dem Ausbilder auf mehreren Seiten „den vorsätzlichen Verstoß gegen seine Verpflichtung, die vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierenden Reisekosten korrekt zu dokumentieren“.
Schwerer Vertrauensbruch
Das, so die Berufungsinstanz, führte „zu einem mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch“. Alles ausreichend „als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung“. Doch dann folgte im abschließenden Urteil das große „Aber“, das schließlich zur Aufhebung der erstinstanzlichen Klageabweisung und der Verpflichtung des DGB-Berufsausbildungswerks führte, „den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Ausbilder im Bereich Metall weiter zu beschäftigen“.
Dieses große „Aber“ nahm seinen Anfang in der Hauptverwaltung der DGB-Berufsausbildungswerke in Erkrath. Die hatte die am 28. April um 16.04 Uhr vom Integrationsamt per Telefax nach GE übermittelte Zustimmung zur Kündigung am folgenden Tag (Freitag, 29. April) nach Erkrath weitergeleitet.
Dort bereitete eine Sachbearbeiterin die schriftliche Kündigung vor und schickte sie einschließlich der vom Geschäftsführer am gleichen Tag unterschriebenen Vollmacht wieder zurück nach Gelsenkirchen. Doch da blieb sie vier Tage liegen und wurde erst am 3. Mai zugestellt.
BAG verhandelt Revisionsantrag
Erstens, so das Landesarbeitsgericht Hamm, war dieser Umweg zurück über Gelsenkirchen aus „keinem rechtlich relevanten Grund geboten,“ und zweitens „hätte selbst die Geschäftsstelle Gelsenkirchen die Kündigung am 2. Mai (Montag) selbst zustellen können.“ Ein unheilbarer Mangel, zumal es gerade bei solchen fristlosen Kündigungen auf einen ganz engen Zeitrahmen ankommt. (AZ 15 Sa 248/12)
Die Berufungsinstanz räumte dem DGB-Berufsausbildungswerk aber auch die Möglichkeit der Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein, dessen 2. Senat sich im neuen Jahr rund zwei Jahre nach einer fristlosen Kündigung mit diesem nicht alltäglichen Fall beschäftigen muss, von dessen Ausgang das Berufsleben eines Ausbilders abhängt, der in wenigen Jahren das Rentenalter erreicht. (AZ 2 AZR 779/12)