Gelsenkirchen. . Der Mythos von Ernst Kuzorras und Stan Libudas Tabakwarenlädchen lebt weiter. Gudrun Rojek übernahm den Laden aus Verpflichtung zur großen Tradition der Schalker Institution. Sie lebt und arbeitet mitten im Mythos.
Die letzte Zigarre ist längst verglommen, der Qualm verraucht. Aber der Duft, der liegt irgendwie noch immer in der Luft. Der Mythos lebt weiter – auf 42 Quadratmetern gleich an der befahrenen Kurt-Schumacher-Straße. Der Mythos von Ernst Kuzorra. Im einstigen Tabakwarenladen der Schalke-Legende diskutieren bis heute die Kunden über Mannschaftsaufstellungen, Meisterschaftsträume und versemmelte Tor-Chancen.
„Fast alle, die hier einkaufen, sind eigentlich auch Trainer“, lächelt Gudrun Rojek. Die gebürtige Gelsenkirchenerin mit dem großen, blau-weißen Herzen hat den legendären Laden, in dem nicht nur Rechtsaußen Ernst Kuzorra einst seine Stumpen qualmte, sondern in dem auch Flankengott Stan Libuda Lottoscheine und Zeitschriften verkaufte, vor einem Jahr übernommen.
Laden gibt keine Reichtümer her
Vor allem aus Traditionsgründen: „Dass der Laden dicht macht und stattdessen ein Imbiss hier aufmacht, das hätte mir weh getan.“ Zuletzt führte Gerd Nowak den Laden: „Als der 60 wurde, wollte er aufhören. Ich wurde 60 und fing an.“ Aus purer Leidenschaft: Reichtümer wirft der kleine Laden im Schatten der Glückauf-Kampfbahn nicht ab. Nicht in einer Gegend, in der viele Läden leer stehen und vor allem blau-weiße Schriftzüge Farbe auf die Fassaden bringen. Pommesbuden heißen hier Schalker Eck, Kneipen „Auf Schalke“ und die Straßenbahnhaltestellen „Schalker Meile“ und „Ernst-Kuzorra-Platz“.
Als der Ernst Kuzorra (1905-1990), der legendäre Stürmer des „Schalker Kreisel“, den Tabakwarenladen nach Kriegsende 1945 aufmachte, um sich eine Existenz zu sichern, da brummte es vor der Theke. An Gott kommt keiner vorbei, außer Stan Libuda, sagte der Volksmund. Libuda übernahm den Laden Mitte der Siebziger. Noch heute können sich viele Zeitgenossen an die beiden Stars im Lädchen erinnern. Schließlich gingen hier jahrelang nicht nur Rauchwaren, sondern auch Schalke-Karten weg wie warme Semmeln.
Tickets gibt es längst nicht mehr
Aber Tickets kann man hier längst nicht mehr kaufen. Dafür Zeitschriften, Zigaretten, Süßigkeiten, halt alles, was ein Kiosk sonst so bietet. Die letzten Zigarren verkaufte Gudrun Rojek vor einem Jahr: „Da verzog der älteste Abnehmer.“ Die meisten, die hier in dieser Schalker Keimzelle ein und aus gehen, sind ohnehin Stammkunden: „Viele kauften schon bei Kuzorra und Libuda ein.“
Den Charme der kleinen Verkaufsstelle macht nicht zuletzt der Blick auf blau-weiße Artikel aus, Schals, Trinkflaschen, T-Shirts. Und natürlich fehlen auch die vergilbten Fotos von Kuzorra nicht.
Nachfolge ist schon gesichert
Draußen an der Schaufensterscheibe klebt der Spruch „Tradition im Herzen, Schalke im Blut“. Ein Satz, der auch auf das Leben von Gudrun Rojek zutrifft. Die gebürtige Beckhausenerin, Mutter zweier Kinder, ist mit dem Ex-Vorsitzenden des Fan-Club-Verbandes, Rolf Rojek, verheiratet.
„Kennst Du den Mythos vom Schalker Markt, die Geschichte, die dort begann?“ besingen heute die Fans „eine Liebe, die niemals endet“. Dass diese Liebe auch zu Kuzorras Tabakladen vorerst nicht endet, dafür hat Gudrun Rojek gesorgt: „Wenn ich mal in Rente gehe, will eine meiner Töchter den Laden übernehmen.“