Gelsenkirchen.

Mit großer Mehrheit hat der Rat der Stadt am Donnerstag einer Resolution zugestimmt, die die SPD-Fraktion als Urheberin mit dem Titel „Perspektiven für einen zukunftsfesten Arbeitsmarkt in Gelsenkirchen“ überschrieben hatte.

Darin wird festgehalten, wie hoch die Bedeutung der industriellen Arbeitsplätze in der Stadt sind und dass sie erhalten bleiben müssen. Außerdem ging es darum, den Beschäftigten der TRW Automotive GmbH im Überlebenskampf den Rücken zu stärken. Am Standort Schalke will die Geschäftsführung des Autozulieferers – wie berichtet – 150 Stellen streichen, spricht von einer strukturellen Krise, der man nicht anders begegnen könne.

Das zweifeln nicht nur alle Gelsenkirchener Parteien an, auch Oberbürgermeister Frank Baranowski sagte an die TRW-Geschäftsführung adressiert: „Das haben die Mitarbeiter nicht verdient. Sie haben über Jahre mit persönlichem Verzicht dazu beigetragen, dass der Standort überlebt. Dass die Geschäftsführung nun Arbeitsplätze abbauen will, statt Kurzarbeit anzuwenden, ist nicht richtig. Dabei weiß sie gar nicht, ob es sich um eine strukturelle oder um eine konjunkturelle Krise handelt, die bald wieder vorbei sein könnte.“

Die Resolution im Wortlaut

„Das Unternehmen TRW Automotive GmbH hat angekündigt, im Werk Schalke 150 Mitarbeiter/innen zu entlassen und damit den Arbeitsplatzabbau über die schon erfolgte Freistellung von mehr als 60 befristet beschäftigten Mitarbeiter/innen fortzusetzen. Aus Sicht des Rates der Stadt Gelsenkirchen ist ein solches Vorgehen weder sinnvoll noch gerechtfertigt und wird deshalb abgelehnt.

Auch in der Vergangenheit hat es bereits konjunkturelle Schwankungen gerade auf dem Automobilmarkt gegeben, die aber stets durch den Einsatz arbeitsmarktpolitisch hierfür geschaffener Instrumente ohne Entlassungen gemeistert werden konnten. Hierzu hat die Belegschaft mit ihrer Bereitschaft zu teilweise erheblichen Einbußen einen Beitrag geleistet, der die Belastungsgrenze erreicht und teilweise überschritten hat. Der Rat der Stadt Gelsenkirchen sieht aus diesem Grund das Unternehmen in der Verpflichtung gegenüber seinen Mitarbeiter/innen, auch in der aktuellen Krise erneut zunächst diesen Weg zu gehen und auf die geplanten Entlassungen zu verzichten.

Die Situation bei TRW Automotive gibt über die Tagesaktualität hinaus aber zusätzlich Anlass, sich erneut mit der Gesamtsituation sowie den Perspektiven für die zukünftige Stärkung der Position unserer Stadt zu beschäftigen. In Gelsenkirchen überlagern sich vier unterschiedliche, die Entwicklung der Stadt belastende Trends:

1. Die allgemein großstadttypische Tendenz zu verstärkter sozialer Spaltung.

2. Die immer noch nachwirkenden Folgen des industriellen Strukturwandels, der darüber hinaus die gesamte Region in unterschiedlicher Intensität traf.

3. Die Auswirkungen der Globalisierung und ausschließlich auf Profit orientierter Wirtschaftstätigkeit.

4. Die in Gelsenkirchen bereits früher als andernorts einsetzenden Folgen des demographischen Wandels.

Natürlich ist aktuell der Erhalt der bedrohten Arbeitsplätze bei TRW das vorrangige Ziel und es erfordert die Unterstützung aller Beteiligten von der Politik über die Gewerkschaften, Arbeitnehmer/innen bis hin zum Unternehmen.

Das allein ist aber für die Zukunft nicht ausreichend.

Arbeitsplätze und strukturelle Stabilität nachhaltig sichern 

Entscheidend wird sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Arbeitsplätze und strukturelle Stabilität in Gelsenkirchen nachhaltig gesichert werden können. Hier hat sich die Entwicklung zu einer branchen- und größenbezogenen Mischung an unterschiedlichen Unternehmen in der aktuellen Krise positiv bewährt und ihren Beitrag zu der vergleichsweise robusten aber keinesfalls befriedigenden Situation auf dem Arbeitsmarkt geleistet.

Ausgehend von der künftig absehbaren Entwicklung wird es aber zusätzlich darauf ankommen, Gelsenkirchen in den sich abzeichnenden Leitmärkten der Zukunft so zu positionieren, dass die positive Entwicklung stabilisiert und verstetigt wird. Ziel ist daher die Schaffung von möglichst dauerhaft wertschöpfenden Arbeitsplätzen. Dies kann nicht allein hier vor Ort geleistet werden. Hierzu ist eine regionale Ausrichtung unabdingbar. Die Anstrengungen der Verwaltung in diese Richtung unterstützt der Rat der Stadt Gelsenkirchen ausdrücklich.

Kurzfristige Reintegration kaum möglich

Auf der anderen Seite müssen wir Antworten für die besonderen Herausforderungen des Gelsenkirchener Arbeitsmarktes finden. Sie ergeben sich aus der konstant hohen Zahl an Menschen, die über lange Zeit ohne Arbeit sind. Die gängigen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik gehen teilweise an den Bedürfnissen dieser Menschen vorbei, weil eine kurzfristige Reintegration in den regulären Arbeitsmarkt in der Regel kaum möglich ist. Statt die Betroffenen durch nicht passgenaue Mittel von aktiver und sozialer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auszuschließen muss deshalb der Einstieg in einen gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt geschaffen werden, um für die Betroffenen als Teil der solidarischen Stadtgesellschaft eine Perspektive zu ermöglichen.

Deshalb bekräftigt der Rat der Stadt Gelsenkirchen an dieser Stelle nochmals seine Unterstützung für den Weg, der mit dem ,Gelsenkirchener Appell’ vorgeschlagen wurde und ruft alle Beteiligten auf, an der konkreten Ausgestaltung dieses Modells konstruktiv und erfolgsorientiert mitzuwirken.“