Gelsenkirchen.

Fortschritt oder Verschlimmbesserung? Über diese Frage stritten sich jetzt Behindertenbeirat und Verwaltung in Sachen barrierefreier Umbau des Heinrich-König-Platzes. Dessen U-Bahn-Ebene wird künftig vom Platz aus per Aufzug erreichbar sein, was die Verwaltung als gute Nachricht verkündete. Damit löste sie bei einigen Beiratsmitgliedern jedoch regelrecht Entsetzen aus: Denn die zwei noch umzurüstenden Aufzüge sind für Mobilitätseingeschränkte mit sehr großen Rollstühlen zu klein.

1,10 mal 1,10 m messen die Aufzüge im Innern jetzt – und künftig. „Über diese Maße sind wir vor der Beschlussfassung im April nie informiert worden“, fühlte sich Berend Steensma, sachkundiger Bürger für die CDU, per Mitteilungsvorlage vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Verwaltung verstoße damit gegen die vom Rat 2005 beschlossene Checkliste für barrierefreies Bauen, die für Aufzüge eine Kabinengröße von 1,10 m mal 1,40 m fordere.

Beschwerdebrief an Baranowski

Auch FDP-Stadtverordnete Anne Schürmann zeigte sich „geschockt“, dass, so Steensma, „ein Teil der Menschen für die nächsten 40, 50 Jahre außen vor bleibt“.

Stephan Kemper, als Projektleiter des Referats Stadtplanung mitverantwortlich für den Umbau des Platzes, verteidigte die Ausführung der Aufzüge damit, dass sie im Bestand umgerüstet werden müssten. „Bei größeren Kabinen wäre nicht nur die Statik, sondern die gesamte Projektplanung hinfällig. Das würde immense Kosten verursachen.“

„10 Mio Euro reichen nicht für alles aus“

Harald Seelert, stellvertretender Beiratsvorsitzender und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Gelsenkirchener Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen (AGB), mit deren Arbeitskreis die konkreten Planungen abgestimmt worden waren, überzeugten die Verwaltungsargumente. Ebenso wie SPD-Stadtverordneten und Beiratsvorsitzenden Udo Brückner: „10 Mio Euro reichen nicht für alles aus“, sagte er auch vor dem Hintergrund, dass die Aufzüge laut Verwaltung für Standard-Rollstühle und Begleitperson durchaus genügend Platz böten.

Im WAZ-Gespräch räumte der städtische Bauleiter Jörg Liedmann ein, dass Menschen mit einem großen Rollstuhl an den Haltestellen Musiktheater oder Hauptbahnhof aussteigen und einen weiteren Weg in Kauf nehmen müssten, um auf den Heinrich-König-Platz zu gelangen. Mit dem Thema Aufzüge soll sich nun auch der OB befassen: Manfred Liebich, Bereichsleiter der Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) und Mitglied der Landesvertretung, kritisiert in einem Schreiben, dass die Aufzüge nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen auf Barrierefreiheit erfüllten und verlangt eine Nachrüstung.