Gelsenkirchen. Die beiden Gelsenkirchener Berend Steensma und Manfred Liebich haben am Leitfaden 2012 für Barrierefreiheit im Straßenraum – eine Broschüre von Straßen NRW für Städte und Planer – mitgearbeitet.

Die Zwei sind so etwas wie die ewigen Mahner. Zwei Männer, die die Finger in öffentliche Straßenbauwunden legen, wenn es um zu hohe Kanten oder falsche wie fehlende Leitsysteme geht.

Und sie sind inzwischen höchst sensibilisiert für die Probleme des jeweils Anderen: Berend Steensma (71), und Manfred Liebich (73), der Blinde und der Gehbehinderte. Aber sie mahnen nicht nur mangelnde Ausführungen im Sinne eines barrierefreien Stadtlebens an – beste Beispiele dafür sind immer wieder die Domplatte in Buer, der Marktplatz in Erle und die Treppe an der Ahstraße in der Altstadt – sie tun auch etwas.

Hoffnung auf Umsetzung

Jüngstes Beispiel: Die zwei Gelsenkirchener haben an der überarbeiteten Fassung des „Leitfadens 2012. Barrierefreiheit im Straßenraum“ von Straßen NRW mitgearbeitet. Der Leitfaden versteht sich als Empfehlung für Städte und Gemeinden, Ingenieurbüros und Planer, einheitliche Standards anzuwenden, um ein, wie Verkehrsminister Harry K. Voigtsberger bei der Präsentation im April sagte, „hohes Niveau zu erreichen“.

„Das Gute an dem Leitfaden ist, dass er nicht sagt, wie es gemacht werden muss, sondern warum.“ Das unterstreicht Manfred Liebich, der – selbst mit einer Rollstuhlfahrerin verheiratet. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er die „Nullkante“ fordert und damit Übergänge, die für jeden Rollstuhltyp geeignet sind. Und sein blinder Mitstreiter Berend Steensma charakterisiert DIN-Vorschriften für Blinde als „Medizin“. Mit der zwingenden Voraussetzung, diese auch zu verordnen.

Die DIN-Norm 32984, bei der es um Aufmerksamkeitsfelder, Leitstreifen und Bodenindikatoren geht, ist logischerweise Steensmas Favorit: „Das ist im Grunde genommen unsere Bibel“, lacht er. „In Gelsenkirchen ist nach dem Leitfaden noch kein Meter gebaut worden“, schränken die Zwei allerdings ein. Noch nicht. Als Steensma im April eines der ersten druckfrischen Exemplare an Sozialdezernentin Karin Welge überreichte, da verband er dies denn auch mit dem Wunsch: „Ich hoffe, dass Gelsenkirchen das umsetzt.“

Easy Cross System

Wie schwierig das – UN-Konvention hin oder her – allerdings ist, beschreibt im Leitfaden der Abschnitt „Zielkonflikt“. Niemand kann den besser verstehen, als Blinde auf der einen und Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer auf der anderen Seite. „Das Erfordernis taktil erfassbarer Kanten (Zwei-Sinne-Prinzip) ist gegenüber dem Erfordernis möglichst geringer Höhenunterschiede zwischen einzelnen Verkehrsflächen (Fuß-Rad-Prinzip) in Einklang zu bringen.“ Wohl wahr, wenn man beispielsweise an das System Easy Cross denkt, eine Nullabsenkung am Bordsteinrand – die aber, wie Steensma sagt, von Blinden nicht anerkannt wird. Weil für sie eine auch nur kleine Kante als Signal gilt. Achtung, Bürgersteig-Ende.

Ein grundsätzliches Problem sehen beide Männer, wenns um Barrierefreiheit geht: „Die UN-Konvention gibt nicht vor, wie man diese Barrierefreiheit ausführen muss.“ Aber, dafür gibt es ja Mahner – wie Steensma und Liebich.