Gelsenkirchen. . Das „Mobile Kaffeekränzchen“ will einsame Senioren in Gelsenkirchen aus ihrer Lethargie reißen. Kostenlos. Aber alleinstehende Alte schämen sich vielfach ob ihrer Armut
Hübsch ist die festlich gedeckte Tafel, auf weinrotem Tuch gehen strahlend weißes Porzellan und grüne Deko-Stein ein einladendes Farbspiel ein, dazu verströmen dampfende Waffeln einen süßen Vanillegeruch. Und die Gäste werden bedient wie in einem echten Café – nur bleibt die Rechnung aus.
Das „Mobile Kaffeekränzchen“ hat Station gemacht am Neumarkt. Zwei Tage zuvor haben stadtbekannte Seniorenbegleiter im Quartier gezielt an die Türen älterer, einsamer und oft auch verarmter Anwohner geklopft und mit Handzetteln zum kostenloses Klönen und Kennelernen eingeladen. Ziel: Abschottung aufbrechen, Rückkehr in die Gemeinschaft und Nachbarschaft (er-)leben.
Ein vielfach mühsames Unterfangen. „Denn die Scham ist groß“, berichtet Uwe Andreas-Hribernigg, Mitarbeiter der Ehrenamtsagentur Gelsenkirchen. Die Einrichtung hat mit finanzieller Hilfe der Stiftung Westfalen-Initiative das Kaffeekränzchen auf den Weg gebracht. „Die Senioren, meist ältere Frauen, scheuen die Außenwelt. Sie können zwar nichts dafür, dass ihre Witwenrente kaum ausreicht, um über die Runden zu kommen. Nichtsdestotrotz ist es ihnen hochpeinlich, sich Kaffee und Kuchen bei den üblichen Seniorentreffs nicht mehr leisten zu können“, erzählt Hribernigg. Die Folge: Sie bleiben daheim, kapseln sich ab.
Resonanz positiv, Vertrauen wächst
Nun ist es nicht so, dass am Neumarkt die Menschen gleich Schlange stehen, um an der Tafel Platz zu nehmen. Am Ende der mehrstündigen Aktion aber werden es gut ein Dutzend Senioren gewesen sein. „Das Vertrauen wächst, aber es braucht Zeit, das Eis zu brechen“, sagt Dr. Zuzanna Hanussek, Gerontologin und Pfarrerin im Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Auch die Kirche sitzt mit im Boot.
Das Angebot kommt an. „Ein gutes Projekt“, urteilt etwa Ruth Gertig. „Ich habe selbst eine ältere Dame daheim betreut, bis sie in ein Pflegeheim wegen starker Demenz kam. Sie war so froh, sich mit jemanden austauschen zu können.“ Dieses Schicksal vor Augen, hat sich die 79-Jährige den Awo-Senioren, einem Kegelclub und einem Kleingartenverein eingeschlossen.
Ein Indiz dafür, dass der Bedarf nach solchen Angeboten hoch ist.
Das bestätigt auch Evelyn Kempa (70). „Vor vier Jahren habe ich meine Familie verloren. Ich sehe bei uns rund um den Bulmker Park viele Ältere, meist aber allein. Es wäre gut, wenn sich durch solche Einrichtungen das Gemeinschaftleben wiederbeleben lässt“.
Ihr Ruf wird sicher gehört, oder?