Gelsenkirchen. . Im Awo-Begegnungszentrum an der Grenzstraße belegen deutsche und türkische Frauen einen interkulturellen Nähkurs. Neben Fachgesprächen steht der kulturelle Austausch ganz oben.

Mittlerweile treffen sich Sündüs, Ellen, Perihan, Christa und die anderen auch einfach mal so. Zuletzt haben sie in Bottrop bei Ellen Wahle-Laux im Garten deren 60. Geburtstag gefeiert. „Ich hatte noch nie vorher türkische Gäste“, sagt sie. Deshalb habe sie sich extra vorher bei den Türkinnen schlau gemacht. „Sie haben mir dann erzählt, dass sie zum Beispiel fremden Männern nicht die Hand geben dürfen. Für uns Deutsche ist das ja selbstverständlich.“

Gelebte Integration – oft wirkt dieses häufig bemühte Schlagwort in seiner Umsetzung zu aufgesetzt, zu erzwungen, zu gut gemeint. Der interkulturelle Nähkurs der Awo aber ist ein Vorzeige-Projekt, ein Paradebeispiel für die Annäherung zweier Kulturkreise. Einmal in der Woche kommen im Begegnungszentrum an der Grenzstraße in Schalke deutsche Seniorinnen und türkische Frauen zusammen, kürzen Hosen, nähen Kleider, bessern kaputte Reißverschlüsse aus – und tauschen sich über Gott, bzw. Allah und die Welt aus.

Eine religiöse Frage

In einem Kellerraum mit viel, viel Tageslichtzufuhr, zwischen Nähmaschinen, Stoffen, Garnen und anderem Zubehör, kommt das Thema Händeschütteln noch mal auf. „Aber einem fremden Mann die Hand zu geben, ist doch nicht schlimm“, sagt Christa Sölchner (77) aus Bulmke-Hüllen. „Das ist eine religiöse Frage“, entgegnet die Bismarckerin Sündüs Kazan (37). „Aber ich küsse dich zur Begrüßung auch weiterhin auf die Wange“, lacht Christa Sölchner.

Seit etwa vier Jahren leitet die ausgebildete Näherin Sabahat Cakan (40) aus Essen den interkulturellen Awo-Kurs. „Zwei türkische Teilnehmerinnen haben mir zu Beginn gesagt, dass sie kaum noch deutsch sprechen können; dass sie es seit ihrer Schulzeit verlernt haben. Aber das geht nicht, wir sprechen hier deutsch, nicht türkisch.“ Und dadurch hätten die beiden Türkinnen auch wieder gelernt, die Sprache ihrer zweiten Heimat besser zu sprechen.

Sündüs Kazan repariert einen schwarzen Rock für eine Freundin, der Reißverschluss ist kaputt – eine der schwierigsten Sachen beim Nähen überhaupt, findet die 37-Jährige. „Ich konnte vorher kein Stück nähen“, sagt sie. „Ich wollte auch nur lernen, Sachen zu ändern, aber dann bin ich länger geblieben.“ Drei Kleider und vier Röcke hat sie bislang geändert – für ihre Tochter.

Gespräche über Beschneidung

Es gefalle ihr mit den deutschen Frauen. „Wir unterhalten uns über alles“, sagt sie. So sei neulich etwa das Thema Beschneidung aufgekommen. Aber auch über die Familie wird gesprochen, Rezepte wechseln die Besitzerin. Manchmal treffen die Frauen sich außerhalb des Kurses. „Es waren auch schon alle bei mir – türkisches Essen probieren“, so Sündüs Kazan. Jeden Donnerstagmorgen holt sie Christa Sölchner mit dem Auto ab und bringt sie anschließend nach Hause.

Ellen Wahle-Laux könnte auch einen Nähkurs bei sich zu Hause in Bottrop machen, der wäre sogar nur 200 Meter von ihrem Wohnort entfernt. „Da hätte ich aber diese Mischung nicht“, sagt die 60-Jährige. „Wir leben doch mit Türken zusammen. Da möchte ich auch die Kultur kennenlernen.“

Messe für Integration

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