Gelsenkirchen. . Für Opfer des Nazi-Terrors, aber auch für Überlebende des Holocaust verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig im Auftrag der Projektgruppe Stolpersteine des Vereins Gelsenzentrum neue Steine.

„Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen über die Stolpersteine. Und wenn du den Namen lesen willst, musst du dich vor dem Opfer automatisch verbeugen“. Die Worte stammen von Gunter Demnig, Künstler und Erschaffer der Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des Nazi-Terrors. Am Montag, 8. Oktober, ist er wieder in Gelsenkirchen, um auf Initiative von Gelsenzentrum e.V., dem Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen – 18 weitere Steine gegen das Vergessen an acht Orten in verschiedenen Stadtteilen zu verlegen.

Vom Steinpaten zum Initiator

Andreas Jordan, der auch die Projektgruppe Stolperstein betreut, hat geforscht, Archive aufgesucht, Angehörige der zumeist jüdischen Opfer gesucht und in einigen Fällen auch gefunden. Wie bei den vorweg gegangenen Verlegungen der Steine, gilt auch diesmal: „Sie werden am letzten selbst gewählten Wohnort der Menschen, an deren Schicksal wir erinnern wollen, verlegt.“ Und nicht an Häusern, in denen die Nazis Juden zwangsweise untergebracht haben.

Jordan hatte die Aktion 2009 ins Leben gerufen, nachdem er von der Arbeit des Künstlers erfahren und Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Eigentlich wollte er nur eine Stein-Patenschaft übernehmen – daraus wurde schnell eine eigenständige Gelsenkirchener Initiative. Zu jedem Namen hat der bekennende Antifaschist Biografien, soweit diese zu ermitteln waren, zusammengestellt.

Erster Stein für ermordeten Homosexuellen

Erstmals wird am 8. Oktober ein Gedenkstein für einen Menschen verlegt, der wegen seiner Homosexualität im Konzentrationslager Buchenwald ermordet wurde: Arthur Herrmann. Der Stein wird an der Cranger Straße 267 verlegt. Herrmann, der als Bergmann arbeitete, wurde von der NS-Justiz nach Paragraph 175 verurteilt, am 24. Juni 1938 von der Polizei in „Schutzhaft“ genommen am 6. August desselben Jahres nach Buchenwald gebracht. Am 17. März 1940 starb er dort mit 37 Jahren.

Denunziert und zum Tode verurteilt worden war Pater Hermann Joseph Vell. Der aufrechte Katholik hatte Flugblätter der Widerstandsgruppe Weiße Rose in Schalke verteilt. Bis zu seiner Verhaftung Anfang Februar 1944 war Vell Vikar in der Schalker Gemeinde St. Joseph. Am 27. April 1945 wurde Vell von Soldaten der Roten Armee aus der Todeszelle im Zuchthaus Brandenburg-Görden befreit. Er starb 1965. Der Stein wird an der Grillostraße 57 verlegt.

Zeitzeuge lebt heute in Florida

Weitere Stolpersteinorte sind unter anderem Arminstraße 1 für das Ehepaar Carl und Ella Posner und Tochter Lotte. Der Familienvater starb in Riga, seine Frau und sein Kind wurden in Stutthof ermordet. An der Kirchstraße 65 wird an die Familie Benjamin, Sara und Ruth Spiegel erinnert. Benjamin Spiegel wurde im Mai 1942 in Sachsenhausen erschossen. Sara und Tochter Ruth flüchteten vor der Deportation und überlebten in einem Versteck in Belgien.

Hermann Neudorf, an den ein Stolperstein an der Markenstraße 19 eingelassen wird, hat das KZ Buchenwald überlebt, während seine Eltern Simon und Frieda in Sachsenhausen beziehungsweise Riga ermordet wurden. Der 1925 geborene Neudorf lebt heute in Florida. Zur Verlegung des Steins kommt sein Sohn Steven mit seiner Familie nach Gelsenkirchen. Wegen der besonders bewegten Geschichte eines überlebenden Zeitzeugen, widmet Gelsenzentrum Hermann Neudorf eine Ausstellung. (Die WAZ berichtet noch)