Gelsenkirchen. . Buchbindermeister Dietmar Klein gibt einen Einblick in seinen Werkstatt-Alltag in der Künstlersiedlung Halfmannshof.

Wer in die Künstlersiedlung Halfmannshof einfährt, wird von einem kleinen märchenhaften Park mit einer idyllisch-ruhigen Atmosphäre empfangen. Diese Stimmung scheint Dietmar Klein auf sein Atelier übertragen zu haben. Freundlich begrüßt der Chef seine Kunden persönlich in der familiären Werkstatt. Diese ist so klein, dass die Wünsche des Kunden direkt an der hölzernen Werkbank besprochen werden.

Ein sympathisches Durcheinander herrscht in dem Atelier. Unterschiedlichste Bücher stapeln sich auf den Arbeitstischen. Einige müssen restauriert werden, andere bekommen einen neuen Buchrücken. Elektrische Maschinen sucht man vergebens, hier wird fast ausschließlich mit Hand gearbeitet. Der künstlerische Anspruch ist bei Dietmar Klein sehr hoch.

Das Buch soll stören im Regal

Stolz zeigt er die Vorlage für eine seiner Arbeiten. „Ein Krankenhauspfarrer wollte seine Bibel neu gebunden haben“, erzählt er. Hier hatte der Meister die Idee, den Buchrücken bunt zu gestalten. Durch die verschiedenen geometrischen Formen und Farben, die ineinandergreifen und sich überlappen, lässt dieser Rücken keine Bibel vermuten. Eine schöne Idee und mal etwas völlig anderes. „Das Buch soll stören im Regal“, sagt er. Bedingt durch dieses Motto, ist es kein Wunder, dass neben runden auch dreieckige Bücher in der Werkstatt zu finden sind. Deswegen stehen Kunst und Buchbinderei auch im engen Zusammenhang. Der kreative Anteil beim Binden eines Buches macht den größten Teil der Arbeit aus. Dadurch wird jedes Buch zu einem Einzelstück.

Klein arbeitet mit seiner Frau und seiner Tochter in dem Familienbetrieb. „Der Hauptkundenstamm sind Studenten mit Abschlussarbeiten, Kanzleien oder Hotels, die spezielle Gästebücher haben möchten“, erklärt er. Restaurationsarbeiten und individuelle Wünsche gehören aber auch zu seinem Repertoire. Hier liegt auch seine größte Stärke. „Das kreative Ausleben macht mir Spaß“, schwärmt der 69-Jährige.

Soll ein Buch einen Goldschnitt bekommen, so wird mittels einer Goldfolie eine Schicht Blattgold auf die Seiten gebracht. Auf diese Schicht prägt Klein mit einer Filete, einem halbrunden Messingstempel, das Muster in den Goldschnitt. Punzen wird dieser Schritt genannt. Je nach Aufwand kann dies einige Tage oder sogar Wochen dauern. „Ob sich die Seiten des Buches dann normal aufblättern lassen, weiß man erst, wenn man fertig ist“,sagt Dietmar Klein mit einem Lachen. Dass das nicht immer klappt, hat er bei vielen Auszubildenden in seinen 45 Meisterjahren schon oft gesehen.

Mit zehn den ersten Buchrücken

Heute werden keine Lehrlinge im Betrieb mehr ausgebildet. Allerdings kommen viele Industriebuchbinder als Vorbereitung auf ihre Prüfung in den Betrieb der Kleins.

„Mein Beruf leidet, weil die Arbeit durch Unwissenheit vieler Menschen nicht gewürdigt wird“, bedauert Klein. Diesen Umstand teilt seine Tochter Marianne Nickel nicht. Sie ist von Kindesbeinen an im Betrieb. „Ihren ersten Buchrücken gestaltete sie, da war sie gerade zehn Jahre alt“, schildert ihre Mutter mit einem Lächeln. Da ist es kein Wunder, dass die Gesellin ihre Ausbildung im Betrieb der Eltern absolvierte. „Die Arbeit gefällt mir, weil ich sehen kann, was ich gemacht habe. Außerdem habe ich durch die Handarbeit immer eine schöne Abwechslung, denn jedes Buch ist anders“, sagt sie. So steht dem Generationswechsel nichts mehr im Wege.