Gelsenkirchen. . Gelsenkirchens Halfmannshof, eine historische Künstlersiedlung, sah schon bessere Zeiten. Die Stadt will den Neuanfang – alte Gebäude sanieren, neue bauen.
Der Glanz ist längst verblasst. Jahrzehntelang galt die einst legendäre Künstlersiedlung Halfmannshof als magischer Ort für die innovative, junge Kunstszene. Inzwischen aber ist es ruhig geworden rund um die idyllisch gelegene Ateliergemeinschaft im Süden Gelsenkirchens. So ruhig, dass die Stadt als Träger Handlungsbedarf sah. Jetzt soll der verschlafene Hof umgebaut werden in ein dynamisches Kreativquartier.
Das beschloss der Rat der Stadt mit großem Konsens. Bis spätestens Ende 2012 sollen die noch neun auf dem Hof lebenden und arbeitenden Künstler Farben, Paletten und Koffer packen und für drei Jahre umgesiedelt werden. Sie fürchten dennoch um ihre Existenz und gehen dafür inzwischen auch auf die Straße.
Bislang stehen den Malern, Bildhauern, Fotografen und Keramikern nicht nur kostenlose Ateliers und Werkstätten zur Verfügung, sie können auch für einen sehr geringen Mietzins dort wohnen. Die Quadratmeterpreise liegen je nach Mietvertrag unter 3,50 Euro, für die Nebenkosten muss lediglich eine kleine Pauschale bezahlt werden. Eine Subventionierung, sagt die Stadtverwaltung, die in Zeiten klammer Kassen so nicht mehr finanzierbar sei.
Nicht das einzige Problem auf dem Hof. Seit einigen Jahren sind die Künstler untereinander heillos zerstritten. Zudem reduzierte sich ihr öffentliches Engagement in einem Maße, dass die Gemeinschaft in den letzten Jahren weder im kulturellen Leben der Stadt noch der Region eine größere Rolle spielte. Eine gute Gelegenheit also, um den Künstlerhof umzukrempeln.
Dabei gab es Zeiten, wo das undenkbar gewesen wäre. 1931 ließen sich die Künstler Josef Arens und Hubert Nietsch sowie die Architekten Ludwig Schwickert und Otto Prinz als erste auf dem einstigen Bauernhof nieder. Weitere Kreative zogen nach.
Blütezeit in den 60ern
Seine Blütezeit erlebte der Halfmannshof in den Sechzigern und Siebzigern, als zum Beispiel Ferdinand Spindel mit seinen Schaumstoff-Kreationen für Furore sorgte, als Schriftsteller Heinrich Maria Denneborg mit dem „Eselchen Grisella“ und „Jan und die Wildpferde“ echte Kinderbuch-Klassiker veröffentlichte, als sich Zero-Stars wie Heinz Mack, Otto Piene oder Günther Uecker die Klinke in die Hand gaben.
Nun plant die Stadt den Neuanfang. Mit einem Konzept, das ein „dynamisches, überregional beachtetes und nachhaltiges Kreativzentrum für die Bereiche Bildende Kunst, Design, Kunsthandwerk und Kunstausbildung“ vorsieht. Nicht mehr mit Mini-Mieten, aber auch nicht zu Luxuspreisen, sagen die Planer.
Die maroden Teile der über 80 Jahre alten Siedlung sollen abgerissen, durch Wohnungen und Wohnhäuser ersetzt werden. Bislang beherbergt der Hof Ateliers und Wohnungen für zehn Künstler. Nach der Sanierung sollen 25 Wohn- und Arbeitsstätten zur Verfügung stehen. Anstelle der Ausstellungshalle ist nur ein kleiner Galerieraum geplant. Die Wiese, optischer Mittelpunkt des Hofes, soll bebaut werden.
Ein massiver Umbruch, der bei den Künstlern auf wenig Gegenliebe stößt. Fotograf und Designer Helmut Kloth, seit 1966 Halfmannshöfer, wettert: „Was die geplante, bauliche Umstrukturierung angeht, so halte ich diese für dilettantischen Schwachsinn.“ Heiner Szamida, seit 1983 mit seiner konkreten Kunst in der Siedlung zu Hause, meint: „Wenn ich hier raus müsste, wäre das eine Katastrophe.“ Eine Bürgerinitiative fordert „Hände weg vom Halfmanshof“. Auch der Westdeutsche Künstlerbund kritisiert die Umstrukturierungen der ältesten deutschen Künstlersiedlung.
Stadt und Politik aber hoffen, durch die Maßnahmen, die in den nächsten Monaten feinjustiert werden, den Halfmannshof aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Für den sicherlich beide Seiten, Stadt und Künstler, mitverantwortlich sind. Vielleicht gelingt es ja tatsächlich, dem Hof doch noch zu neuem kulturellen Glanz zu verhelfen.