Gelsenkirchen. Die WAZ-Mitarbeiter Karin Reimer, Dimitry Lütge und Daniela Mederake machen den Selbstversuch: Wie komme ich in Gelsenkirchen am schnellsten von A nach B mit Rad, ÖPNV und Auto.

Los ging es um elf Uhr am Hauptbahnhof Gelsenkirchen. Das erste Ziel am heutigen Tag (1.August) ist die Westfälische Hochschule (WH) in Buer. Ich bin passionierter Autofahrer und darf mich heute mal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auseinandersetzen. Wer meint, eine Fachhochschule sei gut zu erreichen, dem werden jetzt die Augen geöffnet. Der Gedanke ist zwar nicht grundsätzlich falsch, aber es ist eine lange Fahrt.

Zunächst besteige ich die Straßenbahn der Linie 302 in Richtung Buer-Rathaus. Das ist nicht nur Endstelle der 302, sondern hier muss ich das erste und einzige Mal umsteigen. Gut, dass die Straßenbahnen klimatisiert sind. Schließlich zeigt das Thermometer 30 Grad an. Die Bahn ist nur halb mit Fahrgästen gefüllt. So habe ich 20 Minuten Zeit, Zeitung zu lesen.

Die erste Etappe ist am Rathaus in Buer erreicht. Zehn Minuten später kommt der Bus der Linie 396 in Richtung Lucasstraße. Ich bin sehr entspannt. So sehr, dass ich leider die entscheidende Haltestelle um drei Stationen verpasse. Die Durchsage ist akustisch nicht bei mir angekommen. Mein Navi sagt mir, die Strecke zur WH ist in 40 Minuten zu Fuß zu schaffen. „Zu lang“, denke ich mir. So fahre ich die drei Haltestellen einfach wieder zurück. Eine satte Viertelstunde Wartezeit plus fünf Minuten fahren und ich bin in der Nähe der Uni.

Beschilderung ist nicht optimal

Den Rest der Strecke, einen knappen halben Kilometer, lege ich dann in beschleunigter Gangart zurück. Die Beschilderung für Ortsunkundige ist nicht optimal. Man kann schnell den Weg in die falsche Richtung einschlagen. Meine überlange Fahrt dauert inklusive Umweg gut eine Stunde. Ein ziemlich langer Weg für Studenten. Morgens, in der Vorlesungszeit, möchte ich das nicht durchmachen müssen.

Und was macht der gute Student nach dem Studieren bei 30 Grad? Richtig, er geht in den Revierpark Nienhausen, um sich zu erholen. Gesagt getan. Los geht es zum zweiten Ziel am heutigen Tag. Also gehe ich die vertraute Strecke zurück zur Haltestelle und stelle fest, dass kleine Verspätungen der Bogestra-Busse auch mal gut sein können.

Gefühlte Ewigkeit

Keine Minute später sitze ich im Bus. So komme ich recht zügig am Buer Rathaus an und steige dort einige Minuten später in die 302 ein. Bis zum Musiktheater - dort muss ich in die 107 umsteigen - dauert die Fahrt mit Fußmarsch schon 45 Minuten. Ankunft am Musiktheater und Weiterfahrt laufen nicht synchron. Ich muss 15 Minuten auf die Linie 107 warten. Nach etwa einer Stunde erreiche ich den Revierpark.

An reiner Fahrzeit ist man mit 20 Minuten flott unterwegs. Mit Wartezeiten dauern die Fahrten eine gefühlte Ewigkeit. Einige Haltestellen werden wegen der Baustellen nicht bedient. Es ist ratsam, auf Durchsagen zu achten. Am besten, man erkundigt sich vorher, wo und wann Busse und Bahnen fahren. Preislich lohnt sich bei mehreren Zielen das Tagesticket. Stressfreier als mit dem Auto sind die Fahrten nicht.

Mit dem Rad schneller als mit dem ÖPNV 

Mit dem Fahrrad zur Westfälischen Hochschule? Schon in meiner Schulzeit bin ich täglich zur Schule geradelt – egal bei welchem Wetter! Vielleicht sollte ich erwähnen, dass mein Schulweg lediglich 1500 Meter betrug. Seit Studienbeginn bin ich aber etwas fauler geworden. Daher bin ich etwas skeptisch, ob ich die Strecke Hauptbahnhof - Westfälische Hochschule – Revierpark Nienhausen – immerhin gut 20 Kilometer – auch problemlos bewältigen werde.

Meine Ausrüstung: Fahrradhelm, Luftpumpe und eine große Flasche Wasser. Los geht’s vom Hauptbahnhof: Von der Ringstraße über die Florastraße auf die Kurt-Schumacher-Straße. Bei gut 27°C freue ich mich über jede schattige Straße und Bergabfahrt. Mein Motto: Bloß nicht zu viel bewegen! Aber ins Schwitzen komme ich trotzdem gehörig. Und vor verschwitzten Zeitgenossen, die einem in Bus und Bahn gegenüber sitzen und Handymusik auf maximale Lautstärke eingestellt haben, bin auch sicher. Mal abgesehen vom eigenen Sitzplatz.

Außerdem entlaste ich die Umwelt und im Gegensatz zu Auto- und Bahnfahrten auch mein Portemonnaie. Ein bisschen Sport kann ja auch nie schaden. Die Baustellen in Schalke brauche ich nicht groß zu beachten. Die Umleitung gilt nur für Autofahrer. Der Berger See , an dem ich gerade vorbeiradle, kommt wie gerufen bei dem Wetter. Wie gerne wäre ich reingesprungen, aber stehe ja im zeitlichen Wettbewerb.

Tiefpunkt kurz vor der WH

Jetzt geht es nur noch bergauf. Schrecklich, Sport ist Mord, denke ich mir. Und dann sehe ich auch noch eine Gruppe übermotivierter Radfahrer, alle mindestens doppelt so alt wie ich. „Los, wir sind bisher nur 45 Kilometer gefahren“, höre ich jemanden rufen, während ich schnaufend den Berg hinauf schleiche. Ich schiele, ob sie auf E-Bikes unterwegs sind. Sind sie nicht. Wie deprimierend für mich.

Nach einer guten Stunde erreichte ich die Westfälische Hochschule. Ja, das mag nicht die schnellste Fahrt gewesen sein, denn die Pedale habe ich schonend behandelt. Dennoch bin ich früher da als mein Kollege, der auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war.

Das nächste Ziel ist der Revierpark. Im ersten Teil der Strecke geht es bergab. Vorbei am Stadthafen genieße ich eine schöne Aussicht und auch der Rest der Strecke erweist sich als entspannend. Wieder bin ich fast eine Stunde unterwegs, doch die Zeit vergeht wie im Flug. Stimmung und Kondition stimmen, die Radtour hätte ich gerne fortgesetzt. „Ich habe mich wacker geschlagen“, lautet mein persönliches Streckenzeugnis. Ich werde jetzt öfter aufs Rad steigen. Meine Empfehlung: Holt häufiger Eure Räder raus

Der vermeintlich beste Los - Die Fahrt mit dem Auto 
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Ich habe das vermeintlich beste Los gezogen und darf’s mir hinterm Steuer bequem machen. Kann ich die Tester, die mit Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, abhängen? Es geht los am Hauptbahnhof bis zur Westfälischen Hochschule in Buer und von dort aus bis zum Nienhauser Gesundheitspark. Laut Routenplaner soll ich es mit dem Auto in 44 Minuten packen.

Eigentlich brauche ich heute eine Erschwerniszulage. Es ist heiß und mein altes Gefährt hat keine Klimaanlage. Ich stelle mich auf eine schweißtreibende Tour ein. Wir treffen uns um 11 Uhr am Startpunkt. Ich bin immer noch der Meinung, dass es schnell geht und die anderen keine Chance haben. Doch mein Optimismus ist schnell dahin. Ein paar Hundert Meter weiter ändere ich schlagartig meine Meinung: Baustelle auf der Ringstraße! Geradeaus geht's nicht weiter. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten, links in die Hiberniastraße oder rechts über die Wildenbruchstraße. Eine schwere Entscheidung, wenn man noch nicht lange in Gelsenkirchen wohnt, noch nicht so ortskundig ist und kein Schild auf den schnellsten Weg nach Buer weist. Ich entscheide mich für rechts.

Umgeleitet werde ich in die Hohenzollernstraße und dann links in die Florastraße. Jetzt kann ich rechts in die Kurt-Schumacher-Straße einbiegen und bin wieder auf Kurs. Um diese Uhrzeit ist zum Glück kaum Verkehr.

Es geht über die Sutumer Brücken. Hier darf ich kräftiger durchtreten. Doch trotz 70 km/h drängt mein Hintermann. Er fährt an mir vorbei, schüttelt den Kopf und guckt mich böse an. Eigentlich müsste ich mich aufregen. Doch ich will ja stressfrei ans Ziel kommen. Ein kurzes gedankliches Fluchen verschafft mir wieder Gelassenheit.

Über den Feldweg zurück

Schon bald befahre ich die Vinckestraße.Ich wechsele auf den Nordring, links in die Gecksheide und noch mal links in die Neidenburger Straße. Die Westfälische Hochschule ist nach 26 Minuten, sechs Minuten über dem Soll, erreicht.

Das letzte Etappenziel ist der Gesundheitspark. Ich fahre durch das grüne Buer, über Feldwege auf die Devesestraße, zurück auf die Vinckestraße und wieder auf die Kurt-Schumacher. Wie ärgerlich, dass es hier schon wieder eine Umleitung kurz nach dem Trampolino gibt. Über die Caubstraße, in der sich die Fahrzeuge stauen, führt der Weg wieder zur Kurt-Schumacher-Straße. Am Ende geht’s über die Flora- und Feldmarkstraße staufrei schnell ans Ziel. Laut Google hätte ich’s in 24 Minuten schaffen müssen. Es reicht nicht ganz. Es waren 29!