Gelsenkirchen. Grüne, Leserbeirats-Mitglieder und eine WAZ-Redakteurin haben den Test gemacht: Wie gut oder schlecht kommt man mit dem Drahtesel von der Altstadt nach Bismarck und zurück?

Der junge Mann, der die Spitze der achtköpfigen Radlergruppe fast aufs Korn genommen hätte, ist uneinsichtig, schimpft wie ein Rohrspatz. Parkt seinen Wagen mit Schmackes ein – und lässt sich dann doch noch auf ein Gespräch in friedlicher Tonlage ein ...

Wir stehen auf der Fahrradstraße in den Robert-Geritzmann-Höfen in der Küppersbuschsiedlung. Klare Sache: Hier haben Radfahrer uneingeschränkt Vorfahrt. Was Autofahrer so nicht unbedingt wahrnehmen. Nicht nur Poller zwischen den einzelnen Abschnitten erwecken falsche Eindrücke. Im Gespräch mit dem Mann wird auch deutlich: Da mangelts an Aufklärung über die Bedeutung von Fahrradstraßen.

Die Erkenntnis ist nicht neu, aber immer wieder ein Volltreffer: Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das wird auf der von den Grünen vorbereiteten Fahrradroute von der Ahstraße nach Bismarck und retour ganz schnell deutlich. Das bündnisgrüne „Kleeblatt“ Patrik Jedamzik, Adrianna Gorckyk, Irene Mihalic und Dennis Melerski wird flankiert von den WAZ-Leserbeiräten Klaus Wehrhöfer und Brigitta Blömeke. Sie radelt in Begleitung ihres Mannes Klaus-Dieter Lenz, der als zweiter Vorsitzender des ADFC Gelsenkirchen ausgewiesener Experte ist. Achte im Bunde bin ich, mit extra ausgeliehenem Drahtesel.

Radwegepaten vorgeschlagen

Wir starten am WAZ-Leserladen. Nun, über die Rampe an der Ahstraße ist schon viel geschrieben worden. Über die Tatsache, dass hier lediglich ein Fußgängerschild angebracht ist, dass bis zur Straße gilt. Spannender ist da schon die erste Ampelquerung an der Husemannstraße. Kaum Grün, stehen wir auf dem Mittelstreifen schon wieder: Rot. Und außerdem verdammt eng. Gut, dass gerade keine Mutter mit Kinderwagen hier steht.

Auf der Gewerkenstraße taucht die Frage auf, warum weder Schutz- noch Radstreifen vorhanden sind. Platz ist ausreichend und Autos dürfen nur mit Tempo 50 fahren. Ganz besonders tückisch ist die Situation in Bismarck: Hier dürfen Radfahrer nämlich die als Einbahnstraße ausgewiesene Umleitung für den Kfz-Verkehr in entgegengesetzter Richtung befahren. Und auf dem asphaltierten Radweg, über den wir zuvor geradelt sind, möchte keiner von unserer Gruppe „Randkontakt“ haben. Jede Menge Brennnesseln wuchern hier in den Weg und grünes Buschwerk ist dabei, die Radwegeschilder zu verstecken.

7,2 geradelte Kilometer liegen hinter uns, als wir uns an einem schattigen Plätzchen im „Star Chief Diner“ niederlassen. Schnell wird klar: Das kann’s nicht gewesen sein. Einmal radeln, Schwachstellen diskutieren und Schwamm drüber. Patrick Jedamzik denkt laut: „Man könnte das Thema Radwege in die runden Tische der Stadtteile einbringen und dabei gezielt Leute ansprechen, die sich kümmern.“ Um machbare Kleinigkeiten wie den Schilderfreischnitt beispielsweise. Klaus Wehrhöfer regt Patenschaften in Quartieren an. Findet auch Irene Mihalic gut, aber: „Bei der Stadt muss jemand federführend für die Umsetzung des Radwegekonzepts auf einer vollen Stelle eingesetzt werden.“

Bus- und Radwegespur

Und noch bevor wir auf dem Rückweg über die Kurt-Schumacher-Straße (übrigens sehr abenteuerlich) an den Häusern der Lärm- und Feinstaubgeplagten Schalker vorbei kommen, regt Klaus-Dieter Lenz an: „Hier müsste ein Fahrstreifen als Bus- und Radwegspur ausgewiesen werden.“ Gute Idee.

Und was schlagen Sie vor? Schreiben Sie uns: redaktion.gelsenkirchen@waz.de oder rufen Sie uns an: 0209 / 170 94-30.