Der Raum strahlt den morbiden, rauen Charme alter Industriekulissen aus. Rustikale Stahlträger unter der Decke, rohe Backsteinwände, bröckelnder Putz, Spinnweben in den Ecken, auf dem Fenstersims sprießt Unkraut. Hier, in dem ehemaligen Lüftergebäude der Kaue an der Wilhelminenstraße 174, zeigt Fotograf Uwe Jesiorkowski passenderweise seine Sicht auf eine andere, eine prominente Baustelle – auf das Hans-Sachs-Haus.
Fast zehn Jahre lang richtete der Gelsenkirchener seine Kamera konsequent auf den Gebäudekomplex im Herzen der Stadt, hielt die unterschiedlichen Zustände vom Verfall über den Abriss bis hin zum Wiederaufbau fest. Hunderte von Fotos dokumentieren die Geschichte des Rathauses von 2003 bis heute. 18 davon wählte der Fotograf aus seinem großen Fundus aus und zeigt sie nun unter dem Titel „Übergang“ im neuen Ausstellungsraum „Wohnzimmer GE“ auf dem Gelände der Kaue.
Panorama-Ansichten
Anfangs begleitete das Kulturreferat der Stadt den Künstler bei seiner Aufgabe, die Sanierung des bedeutenden Bauwerks aus der Zeit des Backstein-Expressionismus zu dokumentieren. Die Zusammenarbeit mit der Stadt endete 2005, als Ruhe einkehrte auf der Baustelle. Jesiorkowski: „Als 2009 die Entscheidung fiel, aus dem Geisterhaus wieder ein Rathaus zu kreieren, habe ich meine fotografische Arbeit rund um die Baustelle Hans-Sachs-Haus fortgesetzt.“
Die Fotografien, die am Mittwoch Abend während der Vernissage komplett zu sehen waren und ab heute jeweils als Quartett im wöchentlichen Wechsel im „Wohnzimmer GE“ gezeigt werden, sind großformatig. Der Fotograf zieht sie auf Leinwand auf, was den Arbeiten zusammen mit der Technik einen fast malerischen Anstrich gibt. Ab 2005 entstanden die Aufnahmen digital.
Staubschäden an den Kameras
Die ausgestellten Fotos sind allesamt menschenleer, es dominieren architektonische Spuren von hoher Ästhetik. Die frühen Arbeiten zeigen vor allem Innenansichten, lange Flure mit herausgebrochenen Türen, offene Fensterhöhlen, tiefe Schächte, intensiv rote Staubschichten. „Ich bin wie ein Ich-Erzähler durch das Geisterhaus gelaufen und habe ganz subjektive Eindrücke festgehalten.“ Der Einsatz forderte auch Opfer: „Bei den Innenaufnahmen sind zwei Kameragehäuse draufgegangen.“ Staubschäden.
Faszinierende Panorama-Aussichten
Abriss Hans-Sachs-Haus
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Ab 2009 verfolgte Jesiorkowski den Wiederaufbau des Hans Sachs-Hauses von draußen, wählte stets zwei gleichbleibende Perspektiven. Vom Iduna-Hochhaus zum Beispiel. Da baute er regelmäßig in der 10. Etage Stativ und Kamera auf. Das Ergebnis sind unter anderem riesige, faszinierende Panorama-Ansichten.
Der 49-jährige, freiberufliche Fotograf kennt das Rathaus von Kindertagen an, erlebte dort wie so viele Bürger, die sich gerne an diese Zeiten erinnern, Tanz- und Karnevalsveranstaltungen. „Da ich auch selbst Musik gemacht habe, war ich dort oft bei Konzerten, habe gerne die Walker-Orgel gehört.“ Dass das Haus bald wieder zugänglich ist, freut den Gelsenkirchener. „Ich glaube, das wird wieder ein super Schmuckstück, es wird die Umgebung bereichern. Ich freue mich auf die Wiedereröffnung.“
Die Idee, am Ende eine umfassende Dokumentation über Baustelle und Vollendung des Rathauses vorzulegen, hat der Fotograf noch nicht aufgeben. Vorerst gibt es im „Wohnzimmer GE“ einen kleinen Vorgeschmack darauf.
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