Gelsenkirchen. .

Die Zeit läuft: Ab dem 1. August 2013 haben alle Eltern, deren Kind über ein Jahr alt ist, einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Denn viele (vor allem allein erziehende) Eltern müssen so schnell wie möglich wieder arbeiten gehen, um ihre Familie zu ernähren.

Und nicht immer sind Großeltern oder Freunde in der Nähe, um dann den Nachwuchs zu betreuen. So soll das, was in Frankreich oder in skandinavischen Ländern schon längst normal ist, nun auch in Deutschland gelten: Dass jedes Kind, das einen Betreuungsplatz benötigt, diesen auch ohne lange Wartezeit erhält.

Allerdings sind viele Kommunen für den zu erwartenden Ansturm gar nicht gewappnet – und noch ist kaum abzusehen, wie viele Eltern ihren Rechtsanspruch auf diesem Feld wirklich geltend machen.

Ein Platz für jedes Kind

„Wir tappen da noch ein wenig im Dunkeln, was die absoluten Zahlen angeht. Derzeit orientieren wir uns an der europäischen Durchschnittsquote, bei der 35 Prozent aller Eltern eine Betreuung für ihre Unter-Dreijährigen in Anspruch nehmen. Im nordrhein-westfälischen Landesdurchschnitt liegt die Quote bislang bei rund 32 Prozent. Diese Zahlen dienen uns als Grundlage“, erklärt Alfons Wissmann, der als Leiter des Referates Erziehung und Bildung der Stadt auch zugleich Betriebsleiter des Gelsenkirchener Kindertagesbetreuungsangebotes (GeKita) ist.

GeKita wiederum ist als Eigenbetrieb der Stadt Trägerin von über 50 Tageseinrichtungen für Kinder. Und dazu zählen nicht nur Kindergärten und -tagesstätten, sondern auch so genannte Großtagespflegestellen, in denen mehrere Tagesmütter die Kinder betreuen.

„Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir zum Kindergartenjahr 2013/2014 für jedes Kind, dessen Eltern eine Betreuung wünschen, auch einen geeigneten Betreuungsplatz anbieten können. Allerdings werden diese Plätze wahrscheinlich noch nicht pünktlich zum 1. August 2013 zur Verfügung stehen, da wir derzeit sechs neue Einrichtungen planen, die zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht fertiggestellt sein werden. Wir hoffen jedoch, die entstehende Lücke dann zumindest provisorisch füllen zu können – etwa, indem die Kinder dann in Großtagespflegestellen untergebracht werden“, so Alfons Wissmann.

Neue Erzieher dringend gesucht

Doch nicht nur der fehlende räumliche Platz macht den Kinderbetreuungsplanern zu schaffen. „Wir werden auch sehr viel mehr Erzieherinnen und Erzieher brauchen. Derzeit liegt die natürliche Fluktuation pro Jahr bei rund zehn Prozent, das heißt: Weil GeKita rund 800 bis 900 Mitarbeiter zählt, werden pro Jahr 80 bis 90 neue Erzieher benötigt, um den bestehenden Bedarf abzudecken. Denn immer wieder gehen ja Erzieher in den Ruhestand oder in Elternzeit.

Durch den Ausbau der Unter-Drei-Betreuung werden künftig rund 40 Fachkräfte pro Jahr zusätzlich benötigt. Doch so viele Absolventen haben die hiesigen Erzieherklassen an den Berufskollegs gar nicht“, gibt Wissmann zu bedenken. „Der Bedarf an neuen Erziehern, der heute entsteht, kann frühestens in drei Jahren gedeckt werden, denn so lange dauert die Ausbildung für den Erzieherberuf“, sagt der GeKita-Leiter, der nach eigenen Angaben eng mit den Berufskollegs, etwa dem an der Königstraße zusammenarbeitet, um den neuen Anforderungen zu begegnen: „Ich bin mir relativ sicher, dass wir im nächsten Jahr das Personal für den Kitaausbau auch finden werden.“

Bei der Betreuung von Unter-Dreijährigen geht Gelsenkirchen übrigens bereits seit 2007 einen ganz eigenen Weg – und hat modellhaft so genannte „Großtagespflegestellen“ eingerichtet, eine Idee, die inzwischen schon von mehreren NRW-Kommunen kopiert wurde. „Die Großtagespflegestellen muss man sich vorstellen wie Kleinst-Kitas, in denen zwei Fachkräfte, zumeist Tagesmütter, die von GeKita zusätzlich qualifiziert wurden, bis zu neun Kinder betreuen. Anfangs haben wir dafür Erdgeschosswohnungen angemietet oder von den Wohnungsbaugesellschaften kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Inzwischen gibt es auch schon etwas größere Einrichtungen“, sagt Alfons Wissmann.

Familiäre Atmosphäre inklusive

Etwa den „Musikzirkus“ an der Florastraße, in dem von drei Erziehern und einer Tagesmutter 18 Kinder im Alter zwischen acht Monaten und zehn Jahren betreut werden. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder eine langfristige Bindung zu ihren Erziehern aufbauen können. Deshalb betreuen wir sie hier über das Kindergartenalter hinaus bis zur weiterführenden Schule. Die Schulkinder hole ich mittags ab – und nach dem Mittagessen gibt es dann Hausaufgabenbetreuung und Aktivitäten“, sagt Gabriele Wenzelburger, die Erzieherin und Diplom-Sozialarbeiterin ist und sich mit dem „Musikzirkus“ vor sechs Jahren selbstständig machte.

„Seither ist unsere Einrichtung kontinuierlich gewachsen“, sagt sie. Derzeit werden hier sieben Unter-Dreijährige, fünf Kindergartenkinder und sechs Schulkinder betreut – in familiärer Atmosphäre, mit viel Platz zum Toben. Und natürlich viel Musik: Jedes Kind lernt mindestens zwei Instrumente zu spielen. Die Eltern zahlen dabei genau so viel Beitrag, wie ein entsprechender Kita-Platz kosten würde. 10 dieser Pflegestellen gibt es bereits in der Stadt. In Zukunft könnten es noch mehr werden.