Gelsenkirchen. Enttäuschung und Wut über den Verkauf der Siedlung Flöz Dickebank an Häusser-Bau sitzen tief bei den Bewohnern. Doch noch stärker belastet Siedler die Frage: Was wird aus den Häusern, wie sieht unsere Zukunft und die der Siedlung aus?
Die Stimmung bei Beratungs- und Informationsgeprächen durch Initiative-Mitglieder gleicht einer Mischung aus Angst und Unsicherheit. Die Häusser-Bau-Werber als Vorboten für Wohnungsverkäufe tauchen bereits in den Häusern auf. Sie arbeiten auf Provisionsbasis für das Bochumer Unternehmen. Möglichst viele Mieter sollen von einem Kauf ihrer Wohnung überzeugt werden.
Dabei scheint sich die Verkaufsmethode, die schon in Dortmund oder auch in der Zoo-Siedlung praktiziert wurde, fortzusetzen. Viele Bewohner sind geschockt über die aggressive Vorgehensweise.
„Ich will hier bleiben, hier bin ich groß geworden.“
Empört sind Melanie und Fatih Erdem über die Vorschläge der Vertreterin, die sie als menschenverachtend empfinden: „Unsere Wohnung als ein Viertel des kompletten Hauses hat 45 qm. Wir sollten eine Haushälfte für 99.000 Euro kaufen, müssten dann nur zusehen, wie wir das Nachbar-Ehepaar mit zwei Kindern loswerden. Wir sollten sie also ‘rauswerfen.“ Den Preis empfindet das Ehepaar als unverschämt. Fatih Erdem: „Hier gibt’s keine gerade Wand, der Keller ist feucht, an der Wand hängt Schimmel. 14.000 Euro haben wir in die Wohnung investiert. Ich will hier bleiben, hier bin ich groß geworden.“
Die Zukunft könnte für die Erdems gut aussehen, da sie nicht unbedingt kaufen müssen. Der Vater, der die zweite Haushälfte bewohnt, war Bergmann und hat lebenslanges Wohnrecht. Auch die Wohnung des Sohnes läuft auf den Namen des Vaters.
Gemeinsam gegen den Vermieter
Andere Mieter sind verzweifelt, fürchten, zum Kauf gezwungen zu sein. Viele haben 40.000 Euro und mehr in ihre Wohnungen investiert und kein lebenslanges Wohnrecht garantiert. Die Zechenhäuser mit Grundstücken um die 600 qm wurden ab 1871 gebaut. Das Bad bestand aus einem Waschbecken, die Toilette war auf dem Flur, geheizt wurde mit Kohlen. Viele Mieter haben Geld in Wasserleitungen und Gasheizungen investiert, Bäder in Eigenregie saniert. Sie fürchten, dass die Komfortsteigerung ihrer Wohnung durch Eigenmittel zu einem Bumerang wird und Einfluss auf Miete oder den Kaufpreis haben könnte.
Die Verkäufer jonglieren mit Preisen, die sich innerhalb weniger Tage verändern. Initiative-Sprecher Jörg Skopal: „115.000 Euro wurden von der Häusser-Bau-Mitarbeiterin als Preis für eine Haushälfte mit etwa 100 qm Wohnfläche genannt. Dann standen plötzlich Preise von 98.000 und einige Tage später 89.000 Euro im Raum.“ Auch schon ein Sonderangebot über 74.000 Euro soll einem Mieter genannt worden sein. In den 80er Jahren, als der Vermieter noch Veba hieß, sollte ein Haushälfte 48.500 DM kosten. Die Initiative sieht Mieter und damit auch die Solidarität in der Siedlung nur dann gestärkt, wenn man gemeinsam den Praktiken des Vermieters die Stirn bietet.